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Zweites Buch.
Herkulan
und
Pompej
Reliefs und Statuen eine Dekoration, die an vcrschwenderiseher Gross-
artigkcit und gediegener Pracht jede Vorstellung übersteigt. Unter Ha-
drian endlich schien die Plastik einen neuen Aufschwung nehmen zu
wollen. Durch die Vorliebe des Kaisers veranlasst, wurde die hellenische
Kunst nochmals wieder belebt, freilich nur im Sinne einer technisch glän-
zenden aber kalten Nachbildung früherer Meisterwerke. Selbst in ehrys-
elephantinen Kolossen versuchte man sich noch einmal, wie denn Hadrian
für den Tempel des olympischen Zeus zu Athen ein Goldelfenbeinbild des
Gottes arbeiten liess, und Herodes Atticus in den POSGlÖOIIiSCIHPPl auf
dem Isthmus von Korinth eine Gruppe des Poseidon aus demselben hlaw
terial weihte. Aber wir erfahren zugleich, dass in der Verwendung der
verschiedenen Stoffe bereits Missverstantl und Willkür vorherrschten.
Einer gewissen antiquarischen Vorliebe Hadrians ist dann auch die Mehr-
zahl der auf uns gekommenen archaistischen Nachbildungen von Kunst-
werken des strengen archaischen Styles zuzuschreiben, die (lurch ihr ge-
ziertes und aifelztirtcs Wesen sich scharf von der schlichten Naivetat
ihrer Vorbilder unterscheiden. ,
Forum des
Nerva.
Aus der grossen Zahl von Kunstwerken, welche ohne Zweifel dieser
Epoche angehören, suchen wir zunächst einige hervorzuheben, welche wir
annähernd zu datiren vermögen. "Dahin gehören in erster Linie, die zahl-
reichen Denkmale, welche aus den verschütteten Schwesterstädten Her-
kulanum und Pompeji ans Tageslicht gekommen sind. Unter diesen ver-
dienen wieder die herrlichen Bronzewerke, jetzt im liiuseum von Neapel,
die höchste Beachtung. Wir finden darunter Statuen, wie den ruhenden
jugendlichen Hermes, den schlafenden und den trunkenen Faun, welche
noch die lebensvolle XVahrheit, die vollendete Einfachheit der Behand-
lung ächt griechischer Kunst verrathen. Neben diesen sind die ebenfalls
aus Herkulanum stammenden Erzfiguren von Tänzerinnen als Arbeiten
von grosser Bedeutung zu nennen. Pompeji lieferte die anmuthigc Sta-
tuette des tanzenden Faun, eine vorzüglich schöne Artemis sammkeincm
Apollo von ganz ähnlicher Behandlung und Auffassimg, einen weichliehcn
aber elastisch bewegten Hermaphroditen, der ausruhend eine Lyra hält,
andrer tüchtiger Werke zu geschweigen.
Aus etwas späterer Zeit hat sich in Rom an dem Uebcrrest des F0-
rums der Minerva aus der Zeit des Nerva ein merkwürdiges Beispiel de-
korativer Prachtsculptur erhalten. Man sieht an der Attika die Statue der
Göttin in feierlicher Haltung, welche mit Glück. an ältere griechische Vor-
bilder anknüpft. Am Friese, der an der Umfassungsmauer und den ein-
springenden, von Säulen getragenen Pilastern sich hinzieht, sind in klar
angeordneten, kräftig entwickelten Hochreliefs verschiedene Scenen dar-