Viertes Kapitel.
bei den Römern.
Die Bildnerei
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gewahrt, und mit tiefstem Verständniss die Bewegung jedes Muskels ent-
wickelt, so dass die Statue ein Wunder anatomischer Kenntniss genannt
irerden muss. Allein ihr geistiger Gehalt ist gering, kein Zug innerer
Errelgung wendet sich an unser Mitgefühl, und wir erkennen, dass eine
kühle Reflexion, nicht hinreissende Begeisterung das Ganze hervorrief.
Während daher die formelle Behandlung viel Verwandtes mit dem ster-
benden Gallier und der ludovisisehen Galliergruppe zeigt, entbehrt das
Werk jedes Funkens von jenem tiefen Pathos, das uns dort tragisch er-
schütterte. Wir werden lebhaft interessirt durch die glänzende Lösung
eines schwierigen Problems, aber unser Herz ist dabei keinen Augenblick
betheiligt.
V01] einem kleinasiatischen Künstler rührt ferner das zu London
im Britischen Museum befindliche Relief der Apotheose Homers, insehrift-
lieh von Archeluos aus Priene. In dem alten Bovillae gefunden, ist es
wahrscheinlich für ein dortiges Heiligthtnn im Auftrage des Tiberius ge-
arbeitet worden. In diesem Werke macht sich aber neben frostiger Alle-
gorie eine bedenkliche Entartung des Reliefstyls in's Malerische und eine
ilaue Behandlung geltend, so dzlssf das kleine Denkmal, bei allem sach-
lichen Interesse, künstlerisch keineswegs hervorragt.
Bedeutender waren offenbar einige andere Künstler, deren
nicht nachzuweisen ist, von denen wir aber genug erfahren, um ihnen
neben den neu-attisehen und kleinasiatisehen eine selbständige Stellung
anzuweisen. Dahin gehört Arkcsilaos, der besonders wegen der Vorzüg-
liehkeit seiner mit grösster Sorgfalt durchgeführten Thomnodelle so hoch
geschätzt war, dass man dieselben theurer bezahlte als die fertigen Bild-
werke anderer Meister. Für den im Jahre 46 v. Ohr. von Cäsar geweihten
Tempel der Venus Genetrix arbeitete er die Statue der Göttin, die in meh-
reren Nachbildungen auf uns gekommen ist. Sie scheint von den früheren
Aphrodite sich (lureh vollere Formen und'einen mehr
frauenhaften Charakter unterschieden zu haben. Dazu kam noch, gegen-
über den nackten oder halbnaekten Bildern, die völlige Gewandnng, die
jedoch selbst in den Nachbildungen mit grösster Feinheit darauf berechnet
ist, dass die Formen höchst effektvoll durch den zarten Stoff hindurch
Apotheosc
Runner's.
Andere
Künstler,
schimmern. F ür Lueullus arbeitete der Kleister um 60000 Sesterzien eine
Statue derFelieitas, welche, als der Besteller bei Philippi gefallen war,
unvollendet blieb. Eiltllieh hatte er auch (las humoristische Genrebild
einer nlarinornen Löwin geschaffen, ufelehe von sehelmisehenv Aniorinen
gebändigt und geneekt ururde. Sein Zeitgenosse war Pasilcles, ein un-
Grieche, der für Poinpejus und Augustus arbeitete und (lureh
Vielseitigkeit der 'l'eehnik in Goldelfenbein, lllarnlor, Silber und Erz,