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Zweites Buch.
nstler um
v. Chr.
Die neu-
attischc
Schule.
Torso des
Belvedere.
zu WVerke gehtnnd die göttliche Inspiration der Zeiten eines Phidias,
Skopas und Praxiteles nicht mehr zu erreichen vermag. Denn da liegt
die Grenze, welche selbst der geistvollsten Reprodnction gezogen ist.
Unter den Künstlern, durch welche um llöO V. Chr. der griechische
Einfluss in Rom zur Herrschaft gelangte, werden mehrere genannt die
allem Anscheine nach "durch Metellus aus Griechenland berufen waren.
Dahin gehört T ilnarchidav, welcher für den von Metellus erbauten Por-
ticus der Octavia eine Statue des Apollo mit der Kithztra schuf, dahin
sein Sohn Dionysrios, welcher in Verbindung mit dem Athener Polylrles"
das Goldelfenbeiilbild eines Juppiter für den in der Nähe befindlichen
Tempel des Gottes arbeitete. Von demselben Polykles wird die Statue
eines Hermapliroditen gepriesen, ein Gegenstand, der gewiss schon früher
in der griechischen Kunst behandelt worden war, (lnrch das Weichlich-
Ueppige der sinnlichen Auffassung aber gerade (lieser Slaäitzcit besonders
zusagen mochte. Das scheinen die vielfachen Denkmale solcher Art, be-
sonders die mehrfach vorkommende Statue eines in nnruhigem Schlafe
daliegenden Hermaphroditen (zwei Wiederholungen allein im Louvre zu
Paris) zu bezeugen.
Wichtiger als diese vereinzelten Nachrichten von untergegangenen
Werken ist eine Reihe vorzüglicher Denkmäler, in welcher uns die 'l'ha-
tigkeit der neuattischcn Schule in ihrer ganzen Bedeutung entgegentritt.
lleberwiegend im Kreise idealer Anschauungen sich bewegend, bieten
sie uns in mehr oder minder freier Nachbildung, oder doch in treuer
Anlehnung glänzende Reproductionen von Meisterwerken der Blüthezeit.
Dies gilt in erster Linie von dem berühmten Torso des Bclvcdere zu
Rein, inschriftlich einem Werke des Atheners Ap0ZZOni0.s' (Fig. 93).
Wahrscheinlich ist dies derselbe Künstler, der zu Sullais Zeit für den
ilach einem Brande erneuerten Tempel des capitolinischen Jnppiter die
Goldelfenbeinstatue des Gottes arbeitete. Der Torso, welcher im Anfange
des 16. Jahrhunderts an einer Stelle gefunden. wurde, wo ehemals das
'I'heater des Pompejus gestanden hat, giebt uns höchst wahrscheinlich
nach dem Vorbild eines lysippischen Originals die Gestalt des von müh-
seliger Arbeit ausruhentlen Herakles. Auf einem Felsen sitzend, den
mächtigen Oberkörper nach vorn neigend, scheint der Heros sich auf
seine Keule gestützt zu haben. S0 grossartig die Anlage des Ganzen, so
mächtig und ideal im Allgemeinen die Auffassung der Formen ist, so zeigt.
sich doch in der übertrieben weichen und auf den Effekt berechneten
Durchführung die Richtung einer Kunst, welche die erhabne Einfachheit
einer früheren Zeit nur auf dem Wege einer äusserliehen ll'l3lJlC-l' wieder-
zugeben vermag. Es versteht sich, dass dies Urthcil nur auf einem Ver-