226
Zweites B1
zweier Satyrn von einer anderen Hand in rohem Styl italisch-etrus-
kischer Kunst hinzugefügt wurde. Nicht viel jünger mag ein anderer
italischer Künster sein, dessen Namen U. (Jvius eine kleine Bronzebüste
der Medusa in demselben Museum uns aufbewahrt hat: ein Werk, das
ebenfalls den lauterndcn Einfluss griechischer Kunst zu erkennen giebt.
Es bedurfte aber nur der näheren Bekanntschaft mit den an Geist
und Schönheit unvergleichlich dastehenden Werken griechischer Kunst,
um dieser in Rom den Sieg zu verschaffen. Dazu boten die Eroberungen
zuerst von UDtCY-Ititllßll und Sieilien, sodann von Griechenland und Klein-
Asien Gelegenheit in Fülle. Welches Staunen mag die Eroberer ergriffen
haben, als sie diese Welt von Kunstwerken kennen lernten und durch den
grossartig organisirten Kunstraub in ihren Besitz brachten! Schon Mar-
cellus schaffte die bei der Einnahme von Syrakus (212 v. Chr.) tbrtge-
schleppten Kunstwerke in Masse nach Rom, führte sie in seinem Triumph-
zugc auf und weihte sie dann in dem von ihm erbauten Tempel der Ehre
und Tapferkeit. Von nun an ward es Sitte, möglichst viele und pn-rehtvolle
Kunstwerke in den Triumphzügen dem schaulust-igen Volke vorzufüliren.
Was in der kurzen Zeit von da bis zur Einnahme Korinths durch Mum-
mius (146 v. Chr.) in Rom an griechischen Statuen und Gemälden der
ersten Meister zusammengehäuft worden ist, übersteigt jede Vorstellung.
Als Flaminius seinen Triumphzug über Philipp von hlacedonien hielt,
dauerte das Hineinschaden der geraubten Kunstwerke zwei volle Tage.
Sieben Jahre später führte Fulvius Nobilior in seinem Triumph über die
Aetoler nicht weniger als fünfhundert und fünfzehn Statuen von Erz und
Marmor auf; griechische Künstler hatte er ausserdem mitgebracht, um
die Feierlichkeiten bei seincln Siegesfeste einzurichten. Als Aemilius
Paullus seinen Triumph über Perseus von Macedonien hielt, waren 250
Wagen allein bestimmt, die geraubtexi Statuen und Gemälde zu tragen.
Durch die Menge und Pracht der angehauften Denkmäler, die sammtlich
der vollendeten Kunstblüthe Griechenlands angchörten, wurde in den Rö-
mern Liebe und Verstandniss für die Kunst geweckt. Zum selbstthätigen
Wetteifei- fühlten sie sich freilich nicht angeregt; Coponius, der unter
Pompejus arbeitete, und sein etwa gleichzeitiger Landsmann Decius, von
welchem man auf dem Oapitel einen kolossalen Erzkepf sah, erscheinen
als Ausnahmen. Dagegen entwickelte sich die Freude am Genuss und Be-
sitz von plastischen Werken. Reiche Privatleute wetteiferten, vorzügliche
Gemälde und Statuen zu erwerben; eine feine Kennerschaft bildete sich
aus, und griechische Kunst gehörte fortan zu den unerlässlichen Bedürf-
nissen eines edleren Lebensgenusses. Von (licsem Zeitpunkte begibt die
Geschichte der Nachblüthe griechischer Plastik unter römischer Herrschaft.