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Zweites Buch.
ihrer Seitenwände enthalten in kräftigem Relief theils Soenen des Abschieds,
der Leicheubestzittunä; und der jenseitigen Schicksale (ler Seele, theils
mancherlei Darstellungen des Lebens, Tänze, Mahlzeiten und Trinmphzüge,
theils endlich verbinden sie damit entsprechende Züge aus den griechi-
schen Göttermythen. Die Anordnung ist vielfach überladen, das Relief
hat jenen gedrängten malerischen Styl, den die griechische Kunst ver-
sehmähte, und der, wie es scheint, als ein acht italisehes Erzeugniss zu
betrachten ist. Die Auffassung der Gestalten, in den früheren Werken
noch von einem massvollen hellenisirendeii Style, deutet in den jüngeren
Werken auf den Einfluss der späten, in Italien verwilderten griechisch-
römisehen Plastik. Die Figuren der Verstorbenen, die auf den Deckeln
lagern, sind in den Köpfen meistens von harter, nüchterner Portraitwahr-
heit, während die Gestalten in der Regel ohne alles Gefühl des körper-
lichen Zusammenhanges behandelt sind, als 0b alle Glieder sieh aus den
Fugen gelöst hätten. Bei den kurzen Asehenkisten kommt dazu noch die
wahrhaft groteske, höchst übertriebene Grösse der Köpfe, (lenen sieh der
übrige Körper wie eine schlaffe, weichliehe Masse in verkrüppelter Form
ansehliesst. S0 spiegelt sich in diesen letzten Werken mit unerfreuIielnar
Schärfe der politische und sittliche Auflösungsprozess des von der Römer-
macht überflügelten etruskisehen Volkes.
VIERTES
KAPITEL.
Die
Bildnerei
bei
den
Römern.
liBS
1st.
Die Römer sind kein vorwiegend künstlerisches Volk gewesen und
hätten sclnverlich aus eigener Geistesanlzlge sich eine Kunst gcschaitien.
Ihr ganzes Streben ging mit grossartiger Kraft auf praktische Gestaltung
des äusseren Lebens aus; und so energisch wussten sie diese Seite des
Wirkens anzugreifen, dass sie zuerst- als Eroberer und dann als Staats-
initunei- den Erdkreis sich unterwarfen und schliesslieh als seharfsinnige
Gesetzgeber alle Beziehungen des Privatlebens und Besitzes in einen be-
wundernswürdigen Organismus des Rechtes ordneten. Diese mit genialer
Willenskraft (iiirehgefiihrte verstandesrnässige Thiitigkeit gab auch der
Kunst bei den Römern zunächst die Richtung zuif's Praktische, die in einer