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Zweites B1
hier einen jener Momente, Welche die Palästra dem aufmerksamen Beo-
bachter täglich bot, bewundernsiviirdig in Marmor übersetzt. Die Be-
handlung der Körper ist bei aller Kraft doch von zarter Weichheit, die
Uebergänge der Formen zeigen eine sanfte, elastische Bewegung, die
Umrisse sind ausdrucksvoll, und Alles zeugt von tiefstem anatomischen
Verständniss. Der Umstand, (lass die Gruppe mit der Niobidengruppe
zusammen gefunden wurde, hat früher die jetzt widerlegte Ansieht hervor-
gerufen, dass hier ZWGl Söhne der Niobe dargestellt seien. Ihre vorzüg-
liche Ausführung, die den Statuen jener Gruppe überlegen ist, lässt sie als
ein Original aus griechischer Zeit erkennen. Das meisterhaft Ahgewogene
in der Composition einer so innig verschlungenen Gruppe, die kühne
Lebendigkeit in der Sehildertmg des Momentanen, die vollendete und
(labei effektvolle Behandlung, das Alles scheint mir für die Schule von
Rhodos zu sprechen.
Die
Schule von Pergamos.
Schule
Pergnn
nender
Hier.
Vielfach verwandt in der Grundstimmting, wenn auch verschieden
im Stoffgebiet, erscheinen die gleichzeitigen Werke der Künstler von
Pergamo s. Plinius nennt vier ausgezeichnete Meister, Isigonav,
Plzyronzaclzos, Stralonikos und Anligonos, welche die Schlachten des
Attalos imd Eumenes gegen die Gallier darstellten. Fs handelt sich dabei
um die Kämpfe der pcrgamenisehen Fürsten gegen die Sehaaren galli-
seher Völker, welche zuerst 280 v. Chr. in Griechenland eingedrungen
waren, mehrere makedonische Heere vernichteten und erst durch
Eumenes I. und Attalos I. besiegt wurden. Attalos stiftete zum Ge-
dächtniss seines grossen Sieges (239 v. Chr.) vier ausgedehnte Gruppen
aufrdie Akropolis von Athen, welche in vier besondern Darstellungen den
Kampf der Götter gegen die Giganten, die Schlacht des Theseus gegen
die Amazonen, den Sieg der Athener über die Perser bei ltlarathon und
die Gallierschlacht des Attalos enthielten. Wie die christlich-mittelalter-
liehe Kunst den Seenen des neuen Testamentes entsprechende aus dem
alten Bunde gegenüberstellte, so erhielten hier zwei historische Kämpfe
ihre Parallele an zwei mythischen Schlachten. Gewiss fehlten solche Dar-
stellungen auch in Pergamos nicht, da Attalos seiner eignen Hauptstadt
ohne Zweifel durch die Erinnerungszeichen seiner Siege einen glänzen-
den künstlerischen Schmuck zu geben suchte.
Von diesen Werken ist im Zusammenhange zwar Nichts auf uns ge-
kommen, wohl aber vier-mag die berühmte Marmorstatue des kapitolinisehen
Museums zu Rom (Fig. 88), die unter der falschen Bezeichnung des
„ sterbenden Feehters" bekannt ist, uns von ihrer Beschaffenheit eine