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Zweites Buch.
mischung bei der Iokaste des Silanion (S. 167), so wird doch durch irgend
einen Kunstgriff die Statue einen ähnlichen Eindruck hervorgebracht
haben, den man sich durch Bcimiscluumg von Eisen bewirkt dachte. J cden-
falls beweisen solche Effecte schon eine bedenkliche Neigung zu jenem
Naturalismus, der durch äussere Hülfsmittel das zu ersetzen sucht, was
er durch den blosseil geistigen Gehalt des Kunstwerkes nicht zu erreichen
vermag. Aber es wird uns dadurch auch für die rhodische Schule eine
Richtung auf gesteigertes Pathos angezeigt, die uns eine Erklärung für
das gefeierte Hauptwerk der Schule vermittelt.
Es ist die Gruppe des Laokoon, welche, wie wir durch Plinius
erfahren, von den rhodischen Meistern Agcsaizder, Alhenodorar und Poly-
doros gearbeitet, im Palaste des Titns stand. Wirklich wurde das Werk,
welches Plinius allen andern Schöpfungen der Malerei und Bildhauerei
verzieht, in den Ruinen des Tituspalastes im Jahre 1506 gefunden und
gehört jetzt zu den berühmtesten Schätzen des Vatica n s. Man hat nun
freilich aus einer ungenauen Wendung des alten Schriftstellers folgern
wollen, das Werk sei erst in der Zeit des Titus entstanden und aus-
drücklich für den Palast des Kaisers gearbeitet werden: allein dies geht
nicht allein aus keinem Worte des Plinius nothwentlig hervor, sondern
eine solche Annahme widerspricht dem ganzen Entwicklungsgaiige der
griechischen Plastik. Erst wenn wir die Entstehung des Laokoon in die
Diadochenperiode setzen, steht derselbe als nothwendiges Preduct einer
langen Entwicklungsreihe da, in welcher wir die gritaehischc Kunst zu
immer entschiedencrer Ilerverhebung des Pathologischen sich steigern
scheut). Rücken wir dagegen die Entstehung des Werkes in die Kaiser-
zeit, so erscheint dasselbe mindestens als eine Anomalie, wenn nicht
geradezu als eine Unmöglichkeit. Dazu kommt nun, dass die Haupt-
thätigkeit der rhodischen Schule aus den oben erwähnten Insehriften
sich gerade für den Anfang dieser Epoche nachweisen lässt und dass wir
selbst von den Urhebern des Laokoon" die beiden erstgenannten Agesander
und Athenodoros als Vater und Sohn auf einer jener Inschriften wieder-
finden. Daraus hat man mit vieler Wahrscheinlichkeit geschlossen, dass
auch Polydoros als Sohn des Agesander zu betrachten sei.
Der Gegenstand der Gruppe ist die Bestrztfung des Apollopriesters
Laokoon wegen eines Frevels, den er gegen den flott begangen hatte.
Solahekles hatte denselben Steif in einer verloren gegangenen Tragödie
Dies Alles ist trefflich entwickelt durch Welcher, Alte Donkm. I, S. 322 ff.,
330 H1, 501 FR; und Brunn, Künstlergesch. 1, 474 FR, wo eine Analyse des Werkes
gegeben wird, der ich vollständig beistimmc.