Zweites Kapitel.
Die griechische Plastik.
Geschichtliche Entwicklung.
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werden der Parthenonsculptilrcn sanimt der übrigen ächtgriechischen
Plastik auf (las richtige Maass historischer und ästhetischer Würdigung
zurückgeführt worden ist WVii' haben es also an einzelnen Orten, wo die
Xierhältnisse der Zeit sich als günstige erwiesen, mit einer höchst bedeu-
tenden Nachblüthe griechischer Plastik zu thun, die wir nunmehr gesondert
betrachten.
Rhodos
VOIl
Schule
Die Schule von Rhodos knüpft an die des Lysippos an und ist
also der letzte Ausläufer der peloponnesisr-hen Kunst. DcrLindier Ohares
war es (S. 194), der als Schüler des grossen sikyonisehen Meisters die
Kunst desselben nach Rhodos vcrpiianzte. Sprach sich aber in seinem
Koloss des Sonnengottes bereits eine bedenkliche Richtung i1i's Ueber-
triebene aus, so haben wir dieselbe geradezu aus einer Vorliebe der
Rhodier zu erklären; denn Plinius erzählt, dass ausser dem Sonnengott,
dem riesigsten Werke antiker Plastik, noch hundert andere Kolosse die
Stadt geschmückt hatten. Wir glauben (larin den Uebermuth einer reichen
llandelsstatlt- zu erblicken, dem es bei künstlerischen Unternehmungen in
der Regel mehr auf prunkende Darlegung ungeheurer Mittel, also auf un-
gewöhnliche Grösse und kostbare Stoffe, als auf die Idee und die Schönheit
ankommt. Bezeichnend ist ferner für die Rhodier, dass wir bei ihnen in
der friihern Zeit keine Pflege der Kunst nachzuweisen vermögen, sondern
dass erst jetzt in ihrer glänzenden Blüthe sie sich auch diesen Luxus
denn anders wird die Kunst bei ihnen nicht angesehen zu verschaffen
suchen. Ausserdem sind erst unlängst auf der Akropolis von Lindos durch
Ludwig Ross viele Inschriften entdeckt werden, die eine Anzahl von
rhodischen und auswärtigen Künstlernamen ergeben und den Beweis
liefern, dass Rhodos während dieser ganzen Epoche der Sitz einer regen
plastischen Thätigkeit war, an welcher nicht blos einheimische, sondern
auch andere kleinasiatisehe Künstler betheiligt waren. Meistens beziehen
sich die Inschriften auf Portraitstatucn von Priestern, mehrmals linden sie
sich dagegen auf Postamenten, deren Ausdehnung auf grössere Werke,
namentlich auf Gruppen hinweist.
Von Bedeutung ist sodann eine Notiz bei Plinius über den rhodischen
BildnerArisvfmzidctv, der eine Statue des reuigen Athamas geschaffen. Der
Heros, welcher in einem Anfall von Raserei seinen Sohn Learchos getüdtet
hätte, war dargestellt, wie er voll Reue und Scham über seine That dasitzt.
Um aber die Schamröthe auszudrücken, habe der Bildhauer, so erzählt
Plinius, dem Erz einen Zusatz von Eisen gegeben. Wenn wir diesen
Prozess auch für eben so unwahrscheinlich halten, wie jene Silberbei-
Schu
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Aristonidns.