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Buch.
Zvsreitcs
VIERTE
PERIUDE.
Von
Alexander
bis
Z 11 1'
römischen
Eroberung
Griechenlands.
Im Verlaufe der vorigen Periode hatten sich [lnnvandlnngen im ge-
samniten Leben (ildüßllßlllällds xiorbereitet, die seit der lllälißdOlllStöllßll
Oberherrsehaft sich mit allen ihren Folgen immer unzweifelhafter als eine
vollständige politische und sittliche Aufliisung_ des (lriemwlieiitliliins zu er-
kennen geben. Alexander hatte die Freiheit, die individuelle Selbstän-
digkeit der Einzelstaaten gebrochen, 11m ein Weltreich zu bogriinden,
dessen inneres Band die hellenische Kultur sein sollte. Die Griechen soll-
ten sieh für die Idee begeistern, hellenisehe (llVlllSELtlOH unter makedo-
niseher Obermaeht mich Osten zu tragen. Die Folgen konnten nicht aus-
bleiben. Der Osten wurde unvollkommen hellenisirt, das Griechenthum
aber vollkommen oricntalisirt. Despotische griechische Herrschaften wur-
den, nachdem Alexanders Weltreich zerfallen war, im Orient, in Aegypten
und Asien errichtet, während Griechenland sich unter fortwährendem ma-
kedonischen Drucke in kleinlichen- Fehden aufrieb. Die Kraft des na-
tionalen Geistes, die sich früher durch den Gegensatz zum Barbarenthuln
so herrlich erhoben hatte, war gebrochen, seit ihr der Lebensnerv, die
Freiheit, durehschnitten War. Es gab keine begeisternde Idee mehr, WGlCllC
die Griechen noch einmal hätte einigen können. Das Staatsleben war ohne
Würde, die Sittlichkeit verwildcrt, der Glaube an die Götter hatte sich
überlebt, und an seine Stelle waren Slaeptizismus und Aberglauben ge-
treten. Während die Einen in den frivolen und nihilistischcn Lehr-
Systemen eines Epikur und Pyrrho mehr Betäubung als Befriedigung
suchten, wandten Andere sich dem Mystizislnus und den (irientalischnen
Kulten des NliiilfälS und der Isis zu. Der Glanz der Fürstenhöfe und der
üppige Hvilp-llflllnn der grossen Ißlzmndelstädte vollendete die Ulmwuullung
und machte einen mit den Raffinements der überfeinerten Kultur schlecht
verhüllten Materisilismus zum Götzen der Zeit.
Solche Epochen sind stets der Ruin aller lebensurahren nationalen
Kunst gewesen. Bei den Griechen musste dieser Verfall um so fühlbarer
sein, da ihre grosse Kunstblüthe nur auf dem Boden des frei und edel ent-
wickelten Volkstlnnns erwachsen war. Kein Wunder daher, dass jetzt bei
ihnen an die Stelle poetischer Begeisterung trockene Gelehrsamkeit trat,
die besonders (lureh die Fürstenhöfe zu Alexandria und Antioehia gepflegt
wurde. In der Dichtkunst treibt nur die Konlödie eine Naehblüthe, aber
anstatt des kühnen Idealismus eines Aristophanes herrscht in ihr jetzt