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So greift denn die Plastik zum höchsten Glebiltle der Schöpfung, zum
lilensehen, um an ihm die vollkommne Schönheit organischen Lebens
zu erreichen. Sie erforscht die Gesetze seines Baues, misst die Verhält-
nisse der Glieder, entdeckt (len innern Zusammenhang (lerselben und
stellt in treuer Naeheiferung seine Gestalt rundund frei als lebendigen
Organismus hin. Indem sie ihn so isolirt, muss sie (larnaeh streben, ihn
in höchster Klollenilung, in vollkonunner Schönheit aufzufassen. Sie
sucht in ihm das vlübenbild Gottes den Funken himmlischen Lebens,
und da sie im Einzelnen, Zufälligen ihn vermisst, forscht sie naeh ihm
in der (lesammtheit und getivinnt aus denkender Vergleichung und Prüfung
den Abglanz unsterblicher Schönheit, der Gottheit Ebenbild. Man
nennt das Idealisiren; man darf es eben so gut künstlerisches Schaffen
nennen, denn ohne dies Streben nach (lem Funken göttlichen Feuers
giebt es nur geistloses Handwerk, nicht seelenvolle, geistathmende
Kunst.
Die eigentliche Aufgabe ist nun, den li-Ienschen in seiner vollen
natürlichen Schönheit aufzufassen. Dadurch wird im strengsten Sinne
die Nacktheit erfordert. Nur im unbckleidcten Körper kann die voll-
endete Harmonie des (Ranzen, die Schönheit sich offenbaren. Damit sind
der Plastik strenge Grenzen gezogen. Sie wird nur in solchen Epochen
und bei solchen Yölkci-n ihr höchstes Ziel erreichen können, wo die
Schönheit der ganzen menschlichen Gestalt allgemein emptiinden, durch
Naturanlagc und günstige klimatische Bedingungen gefördert, (lurch
gleichmassigci Hebung; entwickelt, wo endlich die gesammte Ausbildung
des (leistcs und des Körpers in Ucbcreinstinnnuiig gepflegt wird. Wo
dagegen die (ieistesbildung alles Andere überwuchert und wohl gar die
Entfaltung körperlicher Kraft und Schönheit unterdrückt, oder wo aus-
schliessliche Uebung einer bestimmten Seite der lahysischcn Anlage, wie
es durch fast jede handnYc1'kli(-he Thätigkeit geschieht, den Körper un-
harmonisch entwickelt, da findet die Plastik nur bedingte Aufgaben.
Wenn 111111 die volle Schönheit der menschlichen (lestalt zur harmoni-
schen Erscheinung kommen soll, so wird aller übermächtige gßistige
Ausdruck des Kopfes herabzustimmcii, zu dampfen sein, um nicht durch
ungebührlichcs Vorragen in rein geistige Sphären einen Bruch zwischen
(lcm Natürlichen und Geistigen zu verrathcn. Wird doch der Kopf
schon durch seine Stellung als das Oberhaupt und die Krone des Ganzen
bezeichnet; um so weniger darf er geradezu in Gegensatz mit dem
Uehrigcui treten. In demselben Maasse wird ilagcgcui der übrige Körper
gleichsam vergeistigt, durch höchsten Ausdruck von Schönheit und Adel
der Formen vcrlalätrt, so dass beide Theile einander freundlich entgegen.-
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