Zweites Kap
Die griccl
1iscl1c Plastik.
Gcschichtl
ichc Entwicklung.
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DicKünstler
des Polop ohnes.
Ausserhzilb Athens ist auch in (lieser löpoehc der Pelopennes ein
Hauptsitz künstlerischer 'l'hä.tigkeit. Lysipp0s' steht an der Spitze der
Meister, welche die von Polyklet zur freien Vollendung (lurehgeführte
Richtung dem Geiste der neuen Zeit gcmiiss umgestalten sollten. Aus
Sikyon gebürtig, war Lysippos in seiner Jugend Erzarbeiter und bildete
sich ohne Lehrer (lureh eigenes Studium zu einem Künstler aus, der die
pelopennesisehe Plastik zwar nicht in neue Bahnen lenkte, wohl aber
sie von ihrer Grundlage aus zu vielscitigerer, lebensv01lerei' Eiltwick-
huig führte. Die Blüthc seiner künstlerischen Thätigkeit fallt in die
Zeit Alexanders. Der grosse König schätzte und begünstigte den be-
rühmten pelolmennesisehen Meister so sehr, dass er nur von ihm plastisch
dargestellt, wie er nur_ von Apelles gemalt, nur von Pyrgoteles in Stein
geschnitten sein wollte. Wenn von Lysippos berichtet wird, er habe
1500 Werke geschaffen, so liegt in (lieser vielleicht übertriebenen A11-
gtibe wenigstens die Andeutung einer ausserordentliehen Fruchtbarkeit,
die sich auf eine seltene llieisterschaft in Behamlliiiig der lürzplastik
stützte, derjenigen Technik, welcher er i1llSSCilii6SSii(til in allen seinen Ar-
beiten huldigte. Das Erz aber eignet sich weniger für Idealgestalten, am
wenigsten für die Gebilde anmuthig weicher Weiblichkeit. Es hängt
daher mit jener Wahl des lllateriales innig zusammen, dass Lysippos
Kunst eine naturalistisehe war und vorzüglich der Darstellung männlicher
Gestalten sich hingab, Aber auch auf diesem besondern Gebiete erscheint
LYSippoÄ.
bleiben. Geschickt ist namentlich die Anordnung, dass die Amazonen fast stimmt-
lieh beritten sind, wodurch eine allerdings bisweilen zu regelmiissige, selbst mono-
tone Eintheilung herbeigeführt wurde. Die Motive der Bewegung sind meist leben-
dig und voll Energie, nur ist dieselbe den robusteren Gestalten entsprechend nicht
so feurig, so spriiheud, wie die zu Bassae, mehr durch die körperliche XVueht als
durch geistige Erregung, mehr durch Heftigkeit als durch Leidenschaft hervor-
gerufen. Daher kommen denn auch viel mehr Rehheitcn im Kampfe vor, und wenn
die Griechen des Friescs von Bassae wie Ritter kämpfen, so verfahren die von
Maguesia durchaus wie Soldaten. Wenn daher in Bassae nur ausnahmsweise eine
Amazone am l-Itiar gepackt wird, so sieht man sie hier in den verschiedensten
Stellungen an den Haaren heruntergerisscil und zu Boden geschleift. Rechnet man
dazu die römische Kriegertraeht, die bei vielen der Kämpfer den sclnrerfäilligen
Eindruck der Körper noch verstärkt, indess in Bassae fast alle männlichen Ge-
stalten nackt sind; ferner die Höhe des Reliefs, welches das iiusserste Maass der an
griechischen Werken üblichen Ausladung übersteigt, so wird die Annahme, dass
diese Werke römisch und nicht griechisch seien, dadurch weitere Bestäitigxmg ge-
winnen. (Abbildungen des ganzen Frieses bei Clarac, Musee de Sculp. II.
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