Zweites Kapitel.
Die gl
iechischc Plastik.
Geschichtliche En twickluug.
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lieblich unterschied. In dem ltünstlerischen Schaffen konnten wir ein zu-
nehmendes Streben nach dem Etfektvollen beobachten. Mit solcher Rich-
tung geht eine mehr flüchtige, (lekorative Auffassung der monumentalen
Aufgaben lland in Hand. Zur Zeit des Phidias ruhte der hlachdruelq
gerade auf diesen grossen Unternehmungen, und die Höhe des Sinnes, die
Strenge des Kunstgefühles that sich nur in der gcdiegensten allseitigen
Durchbildung jeder Gestalt genug. Zur Zeit des Skopas leiteten die Künst-
ler ihren Ruhm weit weniger aus den monumentalen Werken, als aus jenen
ElIIZBlSClIÖPfIIIIgGD 11er, die nicht sowohl einer allgemeinen nationalen
Kultidee, als vielmehr einer subjektiven Begeisterung ihre Entstehung
verdanken. Irre ich nicht gänzlich, so müssen in solchen Zeiten für deko-
rative Werke andere, minder strenge Gesetze zugestanden werden, was
sich schon daraus ergiebt, dass in solchen Epochen die monumentalen
Aufgaben überwiegend dekorativ aufgefasst werden. Wenn ich nach alle-
(leln selbst für die schönsten Theile dieser Friese in jene enthusiastischen
Lobsprüche nicht einstimmen kann, durch welche sie als den Parthenon-
skulpturen ebenbürtig erkläirt wurden, so bin ich noch viel weiter entfernt,
strllast die geringereir Compositionen als "Stümperarbeit aus einer barba-
rischen Kunstepoehe" zu bezeichnen. Vielmehr hat sich mir aus unbe-
fangener Betrachtung und eingehendem Studium der Originale die An-
schauung ergeben, dass im Wesentlichen derselbe Geist attischei- Kunst
aus allen Theilen dem Beschauer cntgegenweht.
Von den übrigen Sculpttu-en des Mausoleums, so weit sie bereits Älltll'l'l'
wieder zusammengesetzt sindt), erwähne ich zunächst Reste eines zweiten scuiiigyren
Frieses, der Kämpfe zwischen (iriechen und Kentauren darstellt und Lmusolcnma
trotz seiner kläglichen Zerstörung viel kühne Bewegung verriith. Sodann
wurde eine überaus schöne, kolossale weibliche Statue gefunden, die zwar
ohne Arme und Kopf ist, aber mit einer grossartigen Formgebung so viel
naturalistische Feinheit und Weichheit in der Behzmdlnng der von zier-
lichem Geavande verhüllten Brust und des vertretenden Fusses verbindet.
dass man an ein Portrait, vielleicht das der Artemisia, denken möchte.
Der lllantel umschliesst in grossem wirksamen Faltenwurf die Gestalt.
Aehnliche Behandlung zeigt ein anderer Torso, der vermuthlieh einer
initnnlichen Figur angehört. Für die Kopfbihlung ist ein herrlicher
Frauenkopf von weichen, vollen Formen, etwas breitem Oval und otfnenl
Ausdruck bezeichnend. Der Hals ist leise gebogen, die Haltung des
Kopfes etwas ilach rechts geneigt, das lockigc llaar zierlich, ja fast
noch zilterthümlieh gckräuselt und von einer Haube umschlossen. Ein
w) Das Wichtigste ahgeb
ildet in Ncwtönäs Werke.