Zweites Kapitel.
Die griechische Plastik.
Geschichtlichc Entwicklung.
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dass wir das Werk jedenfalls ins lV. Jahrhundert hinabzurüeken haben.
Die kühne, leidenschaftliche Bewegung der Nereiden erinnert sehen stark
an Skopas und seine Kunstrichtung, allein da in dem grossen Friese noch
keinerlei Anklänge an die Reliefs des Mauseleums in dem so nah benach-
barten Halikarnass sieh finden, so muss das Monument vor diesem Pracht-
bau, etwa um 370 v. Chr. errichtet werden seinft)
Hier sehliessen sie-h nun unmittelbar die in Bu d r u n entdeckten Seulp-
tnren vom Mausoleum zu Halikarnass an. Unter allen auf uns gekom-
menen monumentalen Werken dieser Zeit stehenÖSie an Umfang wie an
Werth i-n erster Linie. Sehen im Jahre 1522 fand man dort mehrere
Platten eines Relieffrieses aus Marmor; andere Sculpturen, Reliefs sowohl
wie namentlich grossartig stylisirte Löwenköpfe, sah man in das Kastell
S. Pietro vermanert, welches die Johanniter von Rhodus hier errichtet
hatten. Dass Budrun die Stätte des alten Halikarnass bezeichne, war
längst bekannt, dass aber jene Festung auf der Stelle des hochberülnn-
ten Mausoleums und aus den Trümmern desselben errichtet sei, haben
erst die (lurch Oh. Newton geführten Naehgrabungen der neuesten Zeit
unzweifelhaft festgestelltiw) Wir verdanken diesem mit glänzendem Er-
folg gekrönten [lnternelnnen also die Reste- jenes Wunderbaues, welchen
Mausolu
VOH
llalikan
Entlehmlng bleibt also kaum zu bezweifeln, da das anscheinend Primitivere in
Xanthos als provinzielle Modification anzusehen ist, und das kürzere, etwa dem
Niketempel entsprechende Verhältniss der Säulen durch die besonderen Formen des
Monumentes, die weiten Intercolulnnien und den nicht minder weiten Abstand von
der Cellennxauer constructiv bedingt war.
i") Erst nach Vollendung des oben Erörterten gehen mir die Verhandlungen
der XIX. Philologen -Versarn1nlung zu, welche den Vortrag von Urliclzs- über das
Nereirlen-Monument enthalten. Seine Deutung desselben, als eines Siegeszeichexis
für die Eroberung von Telmissos durch die Xanthier unter Führung eines Fürsten
aus dem persisch-modischen Gesehlechte des Harpagos, giebt, wie mir scheint, die
endgültige Erklärung des Denkmales. Da jener Feldzug etwa Ol. 101 stattfand,
so wird hier von historischer Seite bestätigt, was sich mir für die Datirung des
Werkes aus der künstlerichen Betrachtung ergeben hatte. Wenn dagegen Urlizvlnr die
Verinuthung aufstellt, (lass BPyzn-zrzlv der Meister der Seulpturen sei, so scheint das
Alter dieses Künstlers einer solchen Annahme zu widersprechen; denn wenn der-
selbe, der zwanzig Jahre später neben Skopas am Mausoleum arbeitete, schon niit
25 Jahren Aufträge in fernen Gegenden gehabt haben soll, wie das Monument zu
Xanthus und die Bildsärllen des Apollo und Zeus nebst Löwen im benachbarten
Patara. so ist das minder wahrscheinlich als anzunehmen, dass er erst durch seine
Arbeiten am lblansolerun in diesen Gegenden bekannt und mit selbständigen Auf-
trägen in Pattarzt betraut werden sei.
H) Vergl. U. T. Nr-zvluu, a history of (liseoveries at llalieairnassus, Cnlflus
aüd Branchidae. London 1862. F01. u. S.