Zweites Kapitel.
Die griechische Plastik.
Geschichtliche Entwicklung.
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Kadyanda, Tlos, Pinara und Xanthosit), welche Scenen des Fami-
lienlebens und Kämpfe darstellen, ist vor Allem hier das Nereiden-
lllonument von Xanthos zu nennen, welches früher als I-Iarpagos-
Denkmal bezeichnet wurde. Dass diese historiehe Deutung unzulässig
sei, ist längst anerkannt, ohne dass man jedoch eine andere völlig stich-
haltige Erklärung an die Stelle zu setzen verinocht hätte im). Halten wir
uns an das Denkmal selbst, das mit der Masse seiner noch erhaltenen
Sculpturen (lureh Sir Charles Fellows aufgedeckt und nach London inis
Britische Museum gebracht werden ist "H3. Nach der durch Falkener
modifieirten Restauration T) war dasselbe ein Heroon, das auf hohem durch
Relieffriese geschmüektem Unterbau eine tempelartige Cella mit einem
Giebeldache zeigte. In weitem pseudodipteralen Abstande umzogen die
Cella ionisehe Säulen, vier an den Sehmalseiten, sechs an den Langseiten.
Das ganze zierliche Monument war in versehwenderischer Weise mit
Bildwerken geschmückt: beide Gicbelfeldei- enthielten Hoehreliefs, an der
einen Seite eine Kampfdarstellung, an der anderen nach der bei grie-
chischen lilonilmenten mehrfach vorgekonnnenen Sitte eine ruhige Scene
in der Mitte sitzende Gottheiten, in welchen man Zeus und Here neben
anderen Göttern zu erkennen glaubt, zu denen jugendliche Gestalten,
nach den Giebeleeken an Grösse abnehmend, sich gesellen. Here entfernt
mit der Hand den Schleier von ihrem Ilaupte, ähnlich wie auf dem Par-
thenonfriese; ihre Stellung ist dieselbe anmuthig nachlässige, wie Zeus
eben dort sie zeigt. Zeus dagegen halt sich ihr gegenüber in ganzer
Würde aufrecht und hat sein Scepter gefasst. Mehrere Fragmente von
Einzelstatuen und selbst von Gruppen hat man den Alzroterien desDaehes
zugetheilt. Weiter sind zahlreiche Torsen Weiblicher Gestalten erhalten,
denen sämmtlieh die Köpfe fehlen. Sie scheinen in den Intereoluninien
gestanden zu haben. Spuren von Seethieren verschiedener Art zu ihren
Füssen bezeichnen sie als Nereiden, die durch eine Schlacht aus ihrem
nassen Elemente aufgescheucht sind und in leidenschaftlicher Bewegung
dahineilen. Ferner haben sich bedeutende Ueberreste von nicht weniger
als vier Relieffrhesen verschiedener Höhe und Länge gefunden, von denen
die beiden grösseren dem Ünterbaue als oberer und unterer Saum, die
beiden kleineren der Cellenwand und dem über den Säulen sich hinzie-
hcnden Architrav zugetheilt sind. Vier Löwengestalten endlich von strenger
k) Abbild. in Fellows account of discovcries in Lycia. London 1841.
Vergl. llrtält'lll'l' in lNIüllCfs Handbuch ä. 125.")
H") Fcllozvs, account of thc Jonic trophy monunxcnt etc. London 1848.
1') Im Lluseum of clnss. antiq. von Fnllrrvrrßr.
H") Vergl. II f. II". Llnyll, thc Neiroid-Monuln. London 1845.