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Zweites Buch
Denkmal des
Thrasyllos.
der Rest, an dem sich die Verwandlung in Delphine zu vollziehen beginnt,
mit kühnem Satz in die Fluthen springt. Diese letzteren haben nämlich
Delphinköpfe, die aber in menschlichen Leib auslaufen, eine Zusammen-
setzung, welehe mit eben so viel" künstlerischem Gefühl und Berück-
sichtigung organischer Formverbindung als mit keck hmnoristiseher Laune
(lurohgeführt ist. Dieser Fries, leicht und flüssig in mässigem Relief
behandelt, bildet ein köstliches Zeugniss von dem Knnstgeiste, der damals
noch das ganze attisehe Leben durehdraiig.
In anderm Sinne zeugt dafür ein Werk grösseren Umfanges, die
Baeehusstatue vom Denkmale des Thrasyllos zu Athen, für einen Sieg
vom Jahre 320 errichtet. Die Statue, jetzt im Britischen Museum, stellt
den Gott in reichen Gewändern sitzend dar und ist, obwohl des Kopfes
und der Arme beraubt, in Gesannntanlage und Styl vielleicht die gross-
artigste und edelste sitzende Einzelstatne, die uns aus dem Alterthume
geblieben. In der Behandlung der Gewandung hat sie grosse Verwandt-
schaft mit der Aphrodite von Melos. Diese Statue mag uns ungefähr die
Gestalt vergegenwärtigen, in welcher Praxiteles und seine Schule den Gott
des Weines atlffassten.
Löwe von
Chaeroueu.
Löwe von
Knidos.
Lykisclxc
Sculpturcu.
Ungefähr aus derselben Zeit stammt ein Denkmal, dessen Errichtung
mit jenem folgesclnveren Ereignisse des Unterganges griechischer Unab-
hängigkeit zusammenhängt. Es ist der kolossale ctiva zwölf Fuss hohe
Marmorlöwe, der zum Andenken der in der Schlacht von Chaeronea
(338) gefallenen Griechen daselbst errichtet wnrtlc, und dessen Bruch-
stücke noch an der alten Stelle vorhanden sind._ Ein ähnliches Denkmal,
von Knidos, kürzlich in's britische Museum nach London gelangt, halt
man für ein Erimlerungszeichen des Seesieges, welchen Konon (2394) bei
Knidos über Lysander erfocht. Es ist wohl die schönste Lijwvcngestalt,
welche wir in plastischen Werken besitzen. Er liegt ruhig ausgestreckt,
zehn Fuss lang, der Kopf ist nach rechts gewendet. Die Vorderftisse
sind abgeschlagen, die untere Kinnlade und die Tatze des rechten Hinter-
fusses fehlen. Der Kopf ist wie der übrige Körper in grossen lllassen
wirksam behandelt, dabei jedoch in einem weicheren, mehr natnralistiselieii
Style durchgeführt als z. B. die Löwenköpfe von der Dachrinne des Par-
thenon. Die Mithne ist in grossen Büscheln kritftig und wirksam stylisirt,
das Haar auch an den Weichran trefflich (wharakterisirt, die Adern ebenso
maassvoll gezeichnet.
Wichtige Werke dieser Zeit sind uns sodann in dem (lenkmalreichen
Lykien erhalten, wo wir bereits in früher Zeit den Einfluss griechischer
Kunst im Harpyien Jllonument von Xanthos (S. 95) kennen lernten.
Ausser einer Änzahl minder bedeutender Gräibcrreliefs zu Telmessos,