EINLEITUNGL
Wesen
und
Entwicklungsgang
der
Bildnerei.
Die Bildnerei hat mit der Baukunst den Stoff gemein. Beide
schaffen ihre Werke aus dem ltlaterial der unorganischen Natur. Der
gewachsene Stein oder der 'l"l'1on, das Holz und die verschiedenen Metalle
dienen beiden Künsten zu ihren Erzeugnissen. Dadurch sind beide dem
Gesetze der Schwere unterworfen. Ihre Werke bedürfen gleiehermassen
des festen Ruhepunktes, in welchem sie gesichert auf dem Boden der
Erde, daraus sie genommen sind, fussen können. Was beide" aber unter-
scheidet, ist der Gegenstand ihres Bildens. Während die Architektur
das Schöne der unorganischen Natur in gesetzmässiger Harmonie (lar-
legt, hat die Plastik nichts Anderes zum Ziel als die Darstellung des
beseelten organischen Einzellebens. Sie löst dasselbe aus dem Welt-
verbande, giebt ihm eine eigene Basis, fiiiirt es in einem Momente des
Daseins undstellt es rund und in voller Körperlichkeit als Gegenstand des
„tastenden Sehens wie Viseher treffend sagt, vor Augen. Im höchsten
Sinne ist daher die Einzelgestalt Aufgabe der Bildnerei. In der Gruppe
decken manche Theile einander und lassen eine allseitige plastische
Wirkung jeder Gestalt nicht zur Entfaltung kommen. Doch vereinigt
sich auch hier das Ganze in seinem harmonischen Verbande zur rhyth-
misch bewegten plastischen Gesammterseheinung. Stärker trübt sich das
bildnerisehe Gesetz dagegen im Relief, das in seiner Abhängigkeit von
der Flache, an welcher es haftet, den Uebergang zur Malerei bezeichnet.
Allein auch hier sucht das bildneriseluv Element in itersehiedenen Ab-
stufungen vom zartesten, fast nur gezeichneten Flztehrelief bis zum er-
habenen, fast frei von der Fläche gelösten sich dem Rundbiltl
nach Kräften zu nähern.
Liibke, Geseh- der Plastik. l
Feher-
nsfimmll
it der B:
kunst.