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Zweites Buch.
die Bewunderung des ganzen Alterthums ausmachteil. Dass Praxi-
teles zwischen rein menschlicher Schönheit und der idealen Hoheit
einer Göttin zu unterscheiden wisse, bezeugte er, als er in Thes iae
neben der Statue der Phryne ein Mormorbild der Aphrodite aufstdilte.
Abgesehen von der Ausführung, müssen beide WVerke ungefähr den
Eindruck gemacht haben, wie wenn man neben die Venusv0n Melos
die Medizäisehe stellte. Ein andres Mal hatte der Meister die Göttin
bekleidet gebildet, und diese Aphrodite hatten die Koer, eben der Be-
kleidung Wegen, der Knidischen vorgezogen, nicht ohne darüber man-
chen Spott erfahren zu müssen.
Eben so berühmt waren des Praxiteles Erosstatuen, vor allen
eine in Thespiä und eine andere im troisehen Parion an der Küste der
T Propontis. Von dem letztern wird
Ä , nur die reizvolle Schönheit ge-
nriesen; der erstere, aus pente-
V hsehem Maimoi IIIIIlZ vergoldeten
Q, g Flügeln stand still vor SlCll lnn-
Ä 5 bliekend da. Wir erfahren ferner
V aus Beschreibungen von praxite-
"(f lisc-hen Erosbildern, dass der Gott
N Ü in" den fliessentl weichen Formen
k ' aufknospendei- Jugend gebildet
x- War, und dass sein Blick, von
[Txx herabfallenden Locken halb be-
b] i, schattet, in Sehnsucht und Zärt-
1' lichkeit sehimmerte. Wenn dieser
i! Zug auf eine Verwandtschaft mit
j a der knidischen Aphrodite hindeu-
l tet, so war doch die Stimmung,
b, durch die Verschiedenheit des Ge-
schlechtes und Alters bedingt,
( X eine wesentlich andere. Wir ver-
mögen uns durch mehrere Nach-
bildungen eine Vorstellung von
Fig. T0. Eros des Vaticaizs. (ÜCSBIII Ideä-lß dßS Liebesgottes
zu machen. Eine völli' erhal-
tene Statue des Museums zu Neapel zeigt den Gottals sählanken
Knaben, der eben ins Jünglingsalter eintritt. Er neigt leise den an-
muthigen" Kopf, so dass die Fülle des lockigen Haares tief in die
Stirne herabfallt. Auf dem linken Fusse ruhend, berührt er leicht aus-