Zweites Kap
Die griechische Plastik.
Geschichtliche Entwicklung.
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kühne Neuerung dadurch begründet, dass er sie zuiffasste, als sei sie eben
den Fluthen entstiegen und greife nach dem auf einer Vase neben ihr
liegenden Gewande, während sie mit der Rechten selianihaft den Sehooss
bedeckt. Dadurch erhielt der auf dem rechten Fuss ruhende Körper
eine anmuthig leichte Bewegung,
A] die in schönem Rhythmus den
Umriss der ganzen Gestalt be-
scelte. An dem Blick ihres Auges
Afj-Ä rühmte man den feuchten Schmelz
des Ausdrucks, der nicht sowohl
.5 sehnsüchtiges Verlangen, als viel-
' mehr die Fähigkeit zu weicher
112.5 1
rvr-i: "fix lnmpfindung verrieth. Leider ver-
jf lässt-EI mögen alle Schilderungen und Lob-
preisungen uns niemals anna-
T
hernd eine Vorstellung von dem
grossen seelenvollen Ausdruck zu
"I: geben dei aus diesen Yügen
1-1. 4"" 145W, r , r ' 1
' sprach. Dass Wl1' aber einen wahr-
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W IHM] "s; haft gottlichen, bei aller Hold-
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k 1;" ß 3 1 seligkeit, bei aller weichen An-
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4,1 1 11 mu- ioci l ea en iara' er uns
l f L)? ggf)! Nt vorzustellen haben, das lehren uns
,1 [.1 Kopf und Obel-koppel. der mit
I; VQ Recht berühmten Venus von
1,1l fjfygüyllrk, Melos im Louvre zu" Paris (Fig.
f " 69). Dies ist das einzige "auf uns
1; .9 1:111
f '11 gekommene Aphroditebild, das
5: x41 t die Göttin darstellt und nicht
blos ein schones Weib. Der Macht
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Iö-äl. "Jniicßl J; und GrOSSe der lformcn, über die
k C111 wwndhßhei- Reiz von Jugend
-111 und Schönheit ausgegossen ist,
cnts riclit d- 1
mg m Aphrodite von Mehl Louvm P ei 71 eine, hoheitvolle
Ausdruck des Kopfes, der frei von
menschlicher Bedürftigkeit das ru-
lllge Selbstgenügen der Gottheit verkündet. Die Herrlichkeit dieses Werkes,
das trotz seiner Vorzüglichkeit doch keins der irgendwie bei den Alten
berühmten gewesen ist, gestattet uns einen ahnenden Rüeksrhluss auf
die Schönheit jener für immer verselnvundeiieii Meistersehöpfuiigen, welche
Aphrodite
von Mclos.