Zweites Kapitol.
Die griechische Plastik.
Geschichtliche Entwicklung.
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nenft) Diesen Werken gegenüber, die doch nur aus der Werkstatt des
Phidias stammen, begreift man, dass die Alten als Iicnuzeichen seiner
Werke Grossartigkeit der Conception und höchste Sorgfalt der Ausführung
bezeichneten. Von den Köpfen ist zu wenig, und dies Wenige zu stzu-k
verstümmelt auf uns gekommen; der des Theseus und zwei im Louvre
befindliche Frauenköpfe sind aber von einer Weichheit und Kraft, einer
Grossheit der Formbehandlmig und einem Adel des Ausdrucks, dem keine
spätere Schöpfung sich vergleichen lasst.
Eine zweite überaus umfangreiche Reihe plastischer Werke bieten
die zwciundneunzig Metopen des ausseren Tempelfriescs dar, deren jede
eine Reliefcomposition enthielt. Von diesen sind nemimiddreissig noch
am Tempel vorhanden, siebzehn im britischen Museum, eine im Louvre,
eine andre neuerdings (1 S38) nachträglich aufgefundene in Athen. Ausser-
dem enthalten die Carrey'schen Zeichnungen noch eine grosse Anzahl jetzt
zerstörter Metopen. Dennoch ist die Zerstörung selbst der erhaltenen
meistens eine so erhebliche, dass über den inneren Zusammenhang, den
leitenden Gedanken des Ganzen uns kein Urtheil mehr zusteht. Ein
grosser Theil der von der Südseite herrühreiuleii zeigt Scencn aus den
Kentamenkäinpfen; andre enthalten mythische und heroische Gestalten,
theils friedlich verbunden, theils im Kampfe. Vor Allen bedeutend und
meistens am besten erhalten sind die Darstellungen aus der Kcntauro-
machie (Fig. 52 u. 53). Man sieht die derben, bärtigen, kraftvollen
Thiermenschen schöne Frauen rauben und im Triumphe davon tragen
oder mit elastischen, edelgebauten Jünglingen im Kampfe begriffen. Bald
trägt der Letztere, bald sein halb thierischer Gegner den Sieg davon.
Einmal sprengt der Keiltaur in wildem Triumph über den Leichnam
Seines erschlagenen Gegners hinweg; meistens aber steht der Kampf in
der Schwebe, und wie beim Theseustempel ergreift diese Ungewissheit
der Entscheidimg den Beschauer mit spannender Erregung. Diese Scenen
sind höchst energisch aufgebaut, kühn gegipfelt, in scharfer Berechnung
des Gleichgewichts der Gruppen, sodass man auch hier wieder unwill-
kürlichwie beim Thcseion an andere Schuleinflüsse, namentlich die des
Myron erinnert wird. Dass hier nicht bloss in der Ausführung, sondern
auch in der Composition, der Auffassung imd dem geistigen Ausdruck
ganz verschiedene Hände zu erkennen sind. muss jedem unbefangenen
1519m pel
des
Parthexlo
k) Dagegen möchte ich dem ebenfalls im britischen hiusoum beündliehen angeb-
lichen Bruchstiick des Kopfes der Athena (Nr. lUl) wegen der scharfen und harten,
dabei trocknen und strengen Behandlung der Formen, namentlich des Haares
keinen Platz unter den Parthenon-Sculpturen zugestehen.