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Zweites
Buch
zum Jahre 437 ausgeführt, wo der Tempel vollendet dastzuul. Obwohl
das Alterthum grössere und vielleicht auch praehtvollere hlonumenfe be-
sass, so ist doch niemals ein Denkmal geschaffen worden, welches an
Adel und Schönheit künstlerischer Durchbildung dem Tempel der jung"-
fraulichen Sehutzgöttin auf der Akropolis von Athen sieh vergleichen
könnte. Vor allem muss der plastische Schmuck als das Vollkommenste
bezeichnet werden, was jemals die Bildnerei für ähnliche Zwecke hervor-
gebracht hat, denn selbst die verstümmelten Ueberreste dieser unver-
gleichlichen Sculpturen sind von einer IIerrliehkeit höchster Kunstvoll-
endung, der sichtnichts Anderes an die Seite stellt.
Leider hat der Bau im Laufe der Zeiten so arge Verwüstungen er-
fahren, dass wir über den ganzen Zusammenhang seines so überaus umfas-
senden plastischen Schlnuekes nicht mehr ins Klare kommen können.
Wieviel die Umwandlung in eine christliche Kirche und dann 1456 in eine
türkische Moschee an-den Bildwerken zerstört hat, wissen wir nicht; da
aber im 17.'Jalirliundert die mittlere Gruppe der östlichen Giebelsculp-
turen bereits fehlte, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieselbe dem
ersten christlichen Eifer zum Opfer gefallen. Das beklagenswertheste
Verhängniss traf aber den Parthenon, als im Jahre 1687 die Venezianer
die von den Türken besetzte Akropolis belagerten. Eine Bombe schlug
durch das Marmordach des Tempels und traf das in demselben von den
Türken angelegte Pulverniagazin, dessen Explosion den Bau in zwei ge-
sonderte Ruinenmassen auseinanderriss. Als die Venezianer dann die
Akropolis betraten, suchten sie, hingerissen von der Schönheit der Bild-
werke, nach Kräften davon zu plündern. Vor allem strebten sie nach dem
Rossegespann der Athena im westlichen Giebel, dessen feurige Lebendig-
keit sie am meisten begeisterte. Allein beim Herablassen der kolossalen
lllarmerrosse stürzten dieselben durch Unvorsiehtigkeit herab und wurden
an dem felsigen Boden der Akropolis in tausend Splitter zersehelltl Andere
kleinere Theile wurden von Einzelnen entführt und sind in neueren Zeiten
zum Theil in entlegenen Gegenden, z. B. ein Kentaurenkopf von einer
Metope in Kopenhagen, wieder zum Vorschein gekommen. Eine neue
Beraubung erging im Jahre 1801 über den Parthenon, als dem Lord Elgin
durch einen Ferman des Sultan gestattet wurde, 113011 Bßlißbßll Kunst-
werke aus Griechenland zu entführen. Obwohl dabei mit so roher Rück-
sichtslosigkeit verfahren wurde, dass man vom Ereehtheion eine Säule
aus der östlichen, und eine Karyatide aus der südlichen Vorhalle heraus-
riss, so ist doch, seitdem die englische Nation diese Werke angekauft
und im britischen ltiuseum würdigt aufgestellt hat, sowohl für das
Studium wie für die Erhaltimg dieser ltleisterwerke besser gesorgt, als