Vorwort.
Bei Beurtheilung der Darstellung bitte ich das Eine zu erwägen, dass
von dem ganzen Reiche der Bildnerei nur für die antike Grtinznzark genügende
Vorarbeiten bereit lagen. Und da seit Britniz's' trejflichcr Geschichte der
griechischen Künstler die griechische Plastik durch J. Overb eck eine so
anziehende Darstellung erfahren hat, so hatte ich, weil ich im Ganzen will
Grossen mit dem Verfasser mich im Einklange befinde, am liebsten einfach
auf dieses Buch verwiesen, wenn ich nicht doch in manchen Punkten ab-
weichender Ansicht ware, die sich grossentheils da ergab, wo ich die eigene
Anschauung der Originale voraus hatte. Meine Darstellung der neuesten
Erwerbungen kleinasiatisclter Kunst gehören namentlich hierher. Aber auch
sonst habe ich aus den jüngsten Entdeckungen auf dggp tischem, orientalischenz
und griechischem Boden manches Wichtige meinem Buche einverleibeiz können.
Für die Kunst des Mittelalters hielt ich den Grundsatz fest, aus dem
Wuste des lediglich antiquarisch Merkwürdigen das künstlerisch Werthvolle
herauszuziehen. Dass ich damit das Verdienstliehe rein archäologischer
Forschung auch in diesem Kreise nicht in Frage stellen will, bedarf kaum
der l'ei'sicheruiig. Ich hätte sonst nicht selbst so viel Zeit und Mühe nzit
(ähnlichen Untersuchungen aufgewandt. Aber für die kunstgeschichtliclte
Darstellung sind andere Gesichtspunkte festzuhalten. Die Abschnitte nteines
Werkes, in denen die grossen Epochen der nordis-ch-ntittelalterliclzen Kunst-
blüthe geschildert sind, die Zeiten vom 13. bis in's I6. Jahrhundert, werden
hoffentlich beweisen, dass hier eine Menge neuen Stoffes für die [funst-
geschickte zu Tage geschafft worden ist. Bei einem Vergleich mit den
vorhandenen Darstellungen dieser Epochen dürfte sich ergeben, dass ich
hier durch eine nicht unansehnliche Zahl bisher kaum bekannter oder nicht
genügend erkannter Monumente manchen Baustein für die Geschichte der
Plastik habe selbst lterbeischafen müs-sen. Dagegen war freilich für die
gleichen Epochen der italienischen Kunst in Ja c. Burckhardfs schon er-
wiihntem Cicerone eine unübcrtrejfliche, fast erschöpfende Darstellung vor-
handen. Hier habe ich nur für das eigentlich Historische durch Benutzung
der neuerdings erschienenen italienischen Specialarbeiten, wozu auch der
zum Abschluss gekommene Lemonnierische Vasari gehört, einiges Neue ge-
winnen können. Wenn nun meine Darstellung ungleich und zum Theil selbst
unlebendig geworden, wenn sie nicht aus einem Gusse in die Form geflossen
ist, so möge die Verschiedenheit des Materials dies eittschuldigen; am Mo-
deltiren und auch am Ciseliren hat's nicht gefehlt.
An Abbildungen hätte ich gern in manchen Partieen des Buches mehr
geboten; doch war die Schwierigkeit, gute Vorlagen zu schaffen, bisweilen
unübersteigliclt. Erwägt man dies, so wird man an manchem Gelungenen
sich erfreuen und ausserdent eine Anzahl unbekannter oder nach neuen,