Zweites Buch.
Tlxonreliefs.
Relief von
Snmothrake.
Denkmäler
in
Kleinasien.
merkenswerth ist wieder die meisterhafte Ausfüllung des Raumes, das
schöne Gleichgewicht in der Vertheilung der Massen und endlich die
Spuren ehemaliger Bemalung. Die Grundfläche war roth, die Augenritncicr
und die Pupille dunkel gefärbt und verschicdne Farbenspnrcii zeigen sich
an den einzelnen Thcilen und Verzierungen der Rüstung.
Wie hoch musste das Kunstgeftihl in jener Zeit schon gestiegen sein,
wenn man einem sonst unbekannten schlichten attisehen Bürger solch einen
Denkstein setzen konnte! Dieselbe Betrachtung wird in uns angeregt durch
gewisse alterthümliche Reliefs von gebranntem Thon, welche man auf
Inseln des ägaischen Meeres gefunden hat und die als lilrzeugnisse einer
untergeordneten dlechnil: wichtige Kunde von der allgemeinen Verbreitung
des Kunstsinnes geben. lilehrere solcher Arbeiten sind auf der dorischcn
Insel Melos gefunden worden: die eine zeigt Perseus wie er dahin sprengt
und, triumphiimtiicl sich umblickenil, den Kopf der eben cnthaupteteii Mc-
dusa in (ler Iland hält; die hledusa kniet mit ausgebreiteten Flügeln und
Armen unter dem ltosse, und aus ihrem Halse wächst Chrysaor hervor.
Demselben phantastisch mythologischen Stotfgebict gehört ein zweites
ebendort gefundenes Relief an, welches auf ganz ähnlich behandeltem
Rosse Bcllerophon darstellt, wie er die Chimara. erlegt. Der _Styl dieser
Reliefs ist streng und scharf, jedoch nicht so energisch, wie der einer
andern auf Aegina gefundenen Tcrracotta, die indess die ziltertliüinliclic,
an den Orient erinnernde Niorlicbe für phantastische Gestalten mit jenem
gemein hat. Eine Göttin, vielleicht Hekate, oder die hyperboreische
Artemis lenkt den mit (rinem prachtvollen Greifen bcspanntcn Wagen,
welchen ein beilügelter Genius, xiiellciizht Eros, eben zu besteigen sucht:
(rinc Composition voll Frische und Lebendigkeit.
Ferner gehört hierher das bekannte zu Paris im Louvre befindliche,
auf der Insel Samothrakc: gefundene hlarmorrcxlief, das sich (lureh beson-
ders sehlichtcnßtyl und alterthüiiiliclie Inschriften auszeichnet. An einem
Bruchstück, das einem Sessel oder ähnlichen Geräith angehört haben mag,
zeigen sich in flachem Relief auf einem Sessel sitzend Agamemnon, und
hinter ihm stehend, noch fast ganz in der Weise, wie man es auf assy-
risehen Bildwerken sieht, 'l'althybios der Herold und Epeios. Das Relief
ist sehr flach, die IIaltung der Personen steif und befangen, die Gesichter
zeigen ein ausdrucksloses Litcheln; das Blumenornament, das den oberen
Rand begleitet, steht den verwandten assyrisehen Formen näher als den
griechischen. Gleichwohl wird die Arbeit schuterlich früher als in den
Ausgang des sechsten Jahrhunderts zu setzen sein.
Endlich bietetiauch Kleinasien eine Anzahl von Vicrkcn, imtci- denen
einige sich den alterthümlichsten Erzeugnissen dieser Epoche anrcihen.