V0
0
Es ist ein Versuch, den ich in diesem Buche nicht ohne Bedenken der
Oefentlicltkeit übergebe. Was mich dazu ermuthigt, liegt in dem Unestantle,
dass hiermit überhaupt zum ersten Male unternommen wird, eine Gesannnt-
geschickte der Plastik zu schreiben. Seit Jahren hatte ich den Plan dazu
gefasst; seit Jahren zu Hause und auf Reisen dafür gesanzmelt. Wohl hätte
ich mit dem Abschluss der Arbeit noch geraume Zeit zögern mögen, um
manche Litcke in meinen Anschauungen auszufüllen; allein mittlerweile wären
mir die alten Eindrücke leicht verblasst und hätten sich mit dem neu Gewon-
nenen kaum mehr zu frischem Flusse verbinden lassen. So itnterizaltm ich
denn, das Werk zu einem vorläufigen Abschluss zu bringen und das Publikuna
in den Mitbes-itz des bis jetzt Gewonnenen einzuführen.
Nachdem uns für die gesammte Kunstgeschichte, seit dem ersten Aufbau
derselben durch Kugler, eine fast unabsehbare Fülle neuen Stoyfes zuge-
wachsen und die Betrachtung des wechselseitigen Verhältnisses der Künste
rüstig gefördert worden ist, bedarf es kaum erst des Beweises, wie viel
andrerseits an Kenntniss füris Besondere gewonnen werden muss, wenn man
die einzelnen Künste aus dem Gesammtverbande löst und in getrennter For-
schung ihrem Entwicktungsgange nachspürt. Für wichtige prinzipielle Fragen
muss dies zur Vertiefung der Untersuchung und für den Ueberblick des
Ganzen wieder zu neuen Gesichtspunkten führen. In dieser Ueberzeugung
hab' ich das Feld des plastischen Schayfens in's Auge gefasst, das mir eine
solche gesonderte Betrachtung vorzugsweise zu bedürfen schien. Denn hier
hat sich am längsten die ausschliessliche Schätzung der Antike aufrecht ge-
halten; und zwar mit gutem Grunde, weil in der antiken Scutptur ein absolut
Vollkommnes erreicht ist, von dessen heitern Höhen man nicht gern zu den
untergeordneten, minder allseitig befriedigenden Standpunkten der sptiteren
Zeiten hinabsteigen mochte. Viel lockender war es dagegen, die Malerei
zu gesonderter Betrachtung herauszuheben; denn hier konnte die Antike