Zweites K21]
Diel griechische Plastik.
Gesell
ichtlichc Entwicklung.
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ist weit entfernt von dem conventionellen Gepräge orientalischer Kunst.
Dazu kommt die grosse Geschicklichkeit, mit welcher die Gestalten in
starkem Hoehrelief, theils sogar, wie die Füsse. des Herakles, in völliger
Rundung von der Fläche gelöst (largestellt sind; mehr aber noch die
Wahrhaft bewundernswiirdige, wenngleich (wiebei dem zu kurz gerathenen
kniecnden Beine der llledusai) nicht ohne Zwang (lurehgeführte Ausfüllung
des gegebenen Raumes. Ilierin namentlich zeugt das merkwürdige Werk
schon von jenem hohen Sinn für Anordnung, jenem(lompositionstalente,
das die griechische Kunst in ihren Anfängen bereits vor aller oiientalischen
ziuszeiiehnet, und dessen innere Bedingung: die Freiheit der Bewegung
innerhalb der selhstgezogenen Sehrankcwn, mit dem schönen ethischen
Grundzuge des Hellenenthumras zusammenhängt. Ueber das Formelle und
Tleehnisehe dieser alten Bildwerke ist noch zu bemerken, dass die Köpfe
mit breiten Stirnen, dem eonventionell gelockten Haar, den stark vor-
springenden geraden Nasen, den grossen, weit aufgerissenen Augen, den
scharf vertretenden, zilsammengekniüenen Lippen, die zu starrem Lächeln
hinaufgezogen sind, etwas maskenhaft Starres haben. Das lliziterial ist
ein tuffartiger Kalkstein; an dem Gcwvandsaum der Athene, sowie am
Hintergrunde bemerkt man deutlich Spuren rother Farbe. Die Entstehung
dieser Werke lässt sich aus geschichtlichen Gründen nicht wohl über die
Zeit um 550 v. Ohr. hinautiiiekenft) Ein guter Theil ihres hoehalterthüm-
liehen Charakters muss dem Umstande zugeschrieben weiden, dass wir
hier die Arbeiten einer vom Mutterlande ziemlich entlegenen, obendrein
einer dorischen Kolonie vor uns haben.
Für die Anschauung frühdoirischei- Kunst ist neuerdings ein zweites
wichtiges Werk entdeckt und veröffentlicht worden, das, zu Sparta
im Hause eines Herrn Denietrios ltlanusakis befindlich, auf den ersten
Blick mehr als irgend ein andres der bekannten Denkmäler im Charakter
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lh-liuf Zl.
Sparta.
i) Selinunt wurde 627 v. Chr. gegründet. Darauf hin lässt Overbeek (GGSClJ.
der grieeh. Plastik I. S. 90) den ältesten der dortigen Tempel sammt den Mctopen-
reliefs noch vor-(SUO vollendet sein, da "die Anlage der Tempel nebst Llerjeuigen der
Stadtmauern, des Marktes und eventuell des Hafens zu den ersten Akten der Grün-
dung einer neuen Stadt gehören." Zwischen der ersten Anlage eines Tempels aber
und der Ausführung so grossartiger, mit allen Mitteln einer hoehenturickelten Kunst
durchgeführter Denkrnale muss wohl unterschieden werden; beides pflegt beim
nattiirliehen Verlauf der Dinge durch einen beträchtlichen Zeitraum getrennt zu sein.
Man vergleiche nur die zahlreichen Beispiele, welche das frühe Mittelalter bietet,
wo in der Regel erst geraume Zeit nach der ersten Anlage eines Klosters Musse und
Mittel zur monumentalen Ausführung der dazu gehörigen Kirche sich iiiuleti. Uml
diese liolonisationen des Mittelalters bieten manche Analogie mit denen des Alter-
thums.