Zwe
iteg Kapitel.
Die griechischd Plastik.
Geschichtliche Entwicklung.
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vollständiger Beherrsehtmg des lllateriales und gründlicher Ausbildung des
Körperlichen entfaltet hat. Jeder neue Name und fast jedes Werk, das
uns hier entgegentreten wird, bezeichnetentweder eine neue Stufe oder
eine besondere Itiehtung in diesem glänzenden Entwitrklungsgavnge,
dessen Ziel die Darstellung der höchsten griechischen Ideen in vollendet
schönen Formen ist.
Das älteste Werk, von welchem wir Kunde haben, und zwar durch
den Bericht des Pausanizts (V, 17, 2 ftl), ist die berühmte Lade des
Kypselos, welche wahrscheinlich noch im Laufe des achten Jahrhun-
derts von dem Herrschergesehleehte der Kypseliden zu Korinth in den
lleratempel zu Olympia gestiftet wurde. Es war eine längliche 'l'ruhe
von Cedernholz, auf deren Seiten sich in fünf Streifen, theils aus dem
Holze geschnitzt, theils in Elfenbein- und Goldplastik aufgelegt, zahl-
reiche Reliefdarstellungen befanden. Göttergestalten wechselten mit
Scencn der verschiedenen IIeroensagen in einem Reiehthtim der Schil-
derung, welcher den Beweis liefert, wie eifrig die bildende Kunst da-
mals schon sich in IBesitz eines umfassenden poetischen Sagenstoffes zu
setzen gewusst hat, und wie sie (ladureh an Bedeutsamkeit des Inhalts
und der Composition der Kunst des heroischen Zeitalters überlegen ge-
xronleii istft")
Zwischen jener Lade und dem ältesten geschichtlichen Künstler-
namen, der uns bei den Alten entgegentritt, liegt beinahe ein Jahrhundert.
'I'rotz dieses Mangels an Nachrichten werden wir uns dennoch jenen
langen Zeitraum nicht als den (sines völligen Stillstandes denken dürfen.
Die neue Kunst, die sich auf dem Boden des verjüngten Grieehenlztndes
auszubilden begann, bedurfte der Zeit, um dem ganzen Umfange nach
sieh des Stoffes zu bemächtigen, der ihr so üben-eich aus den poetischen
Bearbeitungen der (iöttermythen und ltIei-oensagen entgegenquoll. Etwas
Aehnliehes wird uns beim läeginn der romanischen Kunst des blittelalters
begegnen, wo unter verwantlteu Verhältnissen die Kunst der jungen ger-
lllillllStillCtll Nationen sich langsam in die neuen vom Christenthum dar-
gebotenen Anschauungen hineingewölinen musste, und man unter diesem
eifrig fortgesetzten Ringen nach einem bedeutsamen Inhalt die Form
lange Zeit iu scheinbarer Erstarrung; verharren sieht. Solche Epochen
sind (larum nicht minder geistig strebende; ist dann die Aneignung des
]](gl1('.lll Stgffgebictes erfolgt, so wendet sich mit xiertloppeltcr Energie der
Lade
Kypsel
Aultcaste
Külgstler
1er das Gesetz der Cornposition dieser Friese vergul. II. Brmm, im R11. IYTus.
335 HI; über den geistigen Zusmmnexlhaxrg der Secnen llirlclirl- in der
alte Kunst, T11. 1. S. 270 ff.
i) Uel
V. S. 32! ,
Zcitschr. f.