Florenz.
21
Im Jahre 1350 von Künig Robert nach Neapel berufen,
Wusste er auch dort die herrschende ziemlich lebhafte aber selbst
in den Leistungen eines Montano d'A1'ezzo und Tommaso
degli Stefani unentwickelte Malthätigkeit zu einem kräftigen
Aufschwung zu erwecken. Sind auch von seinem wenigstens zwei-
jährigen Aufenthalt am Golf von Neapel keine sicheren Werke
mehr nachzuweisen, so erscheint dafür sein Einfluss neben jenem
des ebenfalls einige Zeit für Neapel arbeitenden Simone da. Siena
um so deutlicher. Als gesicherten neapolitanischen Schüler Giottos
vermägen wir jedoch nur den Oderisio da Napoli nachzu-
weisen, von welchem sich in der Sakristei von S. Francesco in
Eboli eine bezeichnete Kruziüxtafel beündet; aber unter den
erhaltenen giottesken Werken Neapels schienen die Gewülbe-
malereien der lncoronata, wdie sieben Sakralnente und den
Triumph der Kirchex darstellend, durch ihre Qualitäten den Ruhm
zu verdienen, den sie nach Vasari als Werke Giottos selbst fälsch-
lich in Anspruch nahmen. Seit bekannt geworden, dass die
Kapelle erst 1352, so1nit 16 Jahre nach Giottos Tod erbaut
worden, ist es indes ausser Zweifel, dass das Werk nur von einem
der Schüler des Meisters herrühren kann.
Im Iahre 1334 befand sich Giotto wieder in Florenz, nun
zumeist als Architekt beschäftigt. Denn am 19. juli dieses Jahres
wurde der Grundstein zum Campanile von S. Maria del Fiore
gelegt, welche Perle italienischer Gotik sein Werk ist. Ghibertis
Bericht macht ihn gleichzeitig zum Bildhauer; allein es ist nicht
zu erweisen, dass die eigenartige und Wahrhaft klassische Schün-
heit einiger" genialen Skulpturen am Campanile mehr als den
Entwurf durch Giotto laedinge. Denn es bleibt wahrscheinlicher, dass
die Ausführung dem Anclrea de Pontedera (Pisano) zuzuschreiben ist,
dem Giotto auch schon bei der Ausführung einer Baptisteriulnspforte
zeichnerisch behilüich war, und dem _auch nach Giottos Tode die
Leitung des Campanilebaues zuüel. Auch kann, da zwischen der
Grundsteinlegung des Campanile bis zum Todestage Giottos
(8. jan. 1336) kaum anderthalb Jahre liegen, nicht angenommen
werden, dass derlei plastische Vollendungsarbeiten noch von dem
fersten Erbauer selbst zur Ausführung gelangten.
Jedenfalls hatte mit Giotto die Kunst der Malerei, die in
der Zeit der Begründer des 1alastischen Aufschwunges, eines Niccolo
und Giovanni Pisano, weit hinter der Schwesterkunst zurückgeblieben
war, jetzt zur vollen Ebenbürtigkeit mit der Meisselkunst, ja selbst
zu einer gewissen Überlegenheit über dieselbe sich erhoben. Denn
die Einwirkung C-iottos anf Andrea Pisano ist stärker als umgekehrt