Die
Cinquecentisten
Venedigs.
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Kühnheit gaben sie nur die willkommene Gelegenheit zu dreister
Komposrtion, derber Breite und zu jenen Schatteneffekten, die,
durch die Nachdunkelung der Jahrhunderte noch gesteigert, die
meisten Tintoretto-Werke jetzt so unerfreulich machen. Doch war
dies keineswegs von Haus aus und überall seine Art. Was er
vermochte, wenn er sich nicht in solchen Ungelaeuerlichkeiten zu
ergehen hatte, zeigen mehrere vortreftliche Werke. S0 das aus-
gezeichnete Bild der wRettung eines gemarterten Sklaven durch
die Erscheinung des hl. Marcusa in der Akademie zu Venedig,
die raHochzeit zu Kanaa in der Sakristei von S. Maria. della Salute,
die va-Einschifthng der Leiche des hl. Marcuse in der alten Biblio-
thek zu Venedig und mehrere andere in der venetianischen Aka-
demie, in den Galerien zu Madrid und Dresden wie anderwärts
befindliche Gemälde. Auch seine Bildnisse, von welchen vore
zügliche die Akademie und der Dogenpalast zu Venedig, wie
die Galerien zu Wien, Berlin, Dresden, München (K1. B. 526),
Darmstadt (K1. B. 418) u. s. w. bewahren, lassen seine energische
Art in bestem Lichte erscheinen.
Die grossen cyklischen Arbeiten aber, mit welchen wir ihn
während der letzten drei jahrzehnte seines Lebens beschäftigt
fmden, konnten seine bedenklichen Neigungen nur befürdern. So
zunächst die 56 grossen Bilder der Scuola di S. Rocco in Venedig,
welche die stimmungsvollen Räume dieses Wolthätigkeits-Gilden-
hauses zu einem Tintoretto-Museum machen, und namentlich die
seit 1577 entstandenen Riesenwerke für den Dogenpalast. Die
allegorischen Deckenbilder des Vorsaals und des Saals mit den
vier Thüren, die mythologischen Wandgemälde der Sala dell Anti-
collegio, die Wandbilder wie das Deckenbild der Venezia im
Senatssaal sind zwar von Faustfertigkeit und Flüchtigkeit wie von
derben Effekten nicht freizusprechen, aber immerhin von gross-
artiger Wirkung. Sie sind auch jedenfalls seinem und aller Zeiten
umfänglichsten Leinwandbild, der Riesendarstellung des xPara-
diesese in1 Saal des grossen Rates vorzuziehen, das übrigens
bereits seinem Greisenalter angehürt. Er starb am 3 r. Mai 1594.
Dass ihm bei seinen Arbeiten vielfach seine in ihrem dreissigsten
Jahre verstorbene Tochter Marietta. Robusti mannhaft zur
Seite stand, sei hier nebenbei erwähnt, wie auch von seinen
Schülern sein 50h11 Domenico Robusti oder auch Antonio
Vassilachi, genannt 1'Aliense, nur den Namen nach aufge-
führt werden künnen.
Seinen und der Bonifazi koloristischen Bahnen Waren auch
die jüngeren Bassanos gefolgt, nzrchdem sie die aus Montagna