Raphaül-
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Madonnenbilderxl hinter der Hand Raphaels verbirgt, tritt jetzt
deutlicher zu 'l"age. Man vermag sogar die von Giulio Romano,
Francesco Penni, Giovanni da Udine, Timoteo Viti und Battista
Dossi ausgeführten Teile bereits zu unterscheiden, ja selbst die
zu Grunde gelegten Studienblätter erscheinen zum Teil von Schüler-
händen gezeichnet. Bemerkenswert ist aber auch sonst ein Wandel
seiner Kunst. Schon an den vier leider sehr beschädigten Dar-
stellungen der wErscheinung Gottes vor Noea, des xlsaakopfersr,
der rrHimmelsleitem und des wbrennenden Dornbuschesa in den
Gewülbedreiecken gewahrt man einigen Einfluss der eben damals
enthüllten Gewijlbemalereien Michelangelos und dieser Einüuss
verstärkt sich in den Wandgemiilden. So auf dem prächtigen
Gemälde der xVertreibung des tempelräuberischen Heliodor aus
dem Tempel zu Jerusalemx (K1. B. 59213), auf welchem Bilde
Julius Il. sich selbst mit Bezug auf seine eigerlen Anstrengungen,
die Feinde des Kirchenstaates zu vertreiben, darstellen liess, und
in der unmittelbar darauf diesem gegenübergestellten wMesse von
Bolsenaa (K1. B. 589), dem bekannten Blutwunder in S. Cristina
zu Bolsena unter Papst Urban IV. (1261- 1264), vielleicht einem
der Wirkungsvollsten und schünsten Gemälde des ganzen Cyklus.
Auch dieses Bild entstand noch unter Julius 1L, der sich darauf
ebenfalls mit seinem Gefolge in andächtiger Feierlichkeit anzu-
bringen befahl. Beide Hauptbüder waren im November 1512
vollendet, während die beiden anderen Wandbilder des Raumes,
die wVertreibung des Attilacc (K1. B. 591) und die vBefreiurug
Petri aus dem Kerkem (K1. B. 590) erst nach der Thronbesteigung
Leo X. (1 LMärz 1513) begonnen und irn Iuli 1514 zum Ab-
schluss gebracht wurden.
In der Zwischenzeit waren aus des Meisters Atelier auch
die sog. rwMadonna di Fulignoc: in der vatikanischen Galerie, und
die freilich grüsstenteils durch Gehilfenhand ausgeführten beiden
grossen Altarbilder, die ;)S.Famig1ia di Divino Amoreq im Mu-
seum zu Neapel und die vMadonna de11' Impannatarr in Palazzo
Pitti hervorgegangen. Auch war es damals, dass Raphael,
fasciniert von der grossen Deckenschüpfung Michelangelos, in
seinem auf Veranlassung des apostolischen Protonotars Joh. Goritz
gemalten wPropheten Jesaiasx in S. Agostino den Versuch machte,
sich ganz in die Weise seines Rivalen zu versenken. Mehr
in Anspruch nahmen ihu aber iwei umfänglichere Aufträge des
Banquiers Agostino Chigi, für dessen Lustsitz _der sog. Farnesina
er das Wandbild der sog. rvGalatearc, für dessen Kapelle in
S. Maria della Pace aber das schüne Fresko der vSibyllenrr an