Michelangelo
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potenzieren konnte. Liebreiz und Stimmung hatten dabei wenig
zu thun, noch weniger ein eigentlich 1na1erisches Element; er
modellierte um nicht zu sagen meisselte mit dem Pinsel. Man
kännte denken, dass Äfielleicht Lionardos Reiterstatue des Lodovico
Sforza. malerisch empfunden war, man kann aber gar nicht zweifeln,
dass Michelangelos Deckenmalereien plastisch gedacht sind.
Während Michelangelo als Bildhauer seine früheren Arbeiten,
selbst die Pietä und den David später durch den Moses und die
Mediceergräber noch überbot, hatte er als Maler in der Sistina-
Decke seinen Hähepunkt erreicht. Er liess darauf zweijahrzehnte
verstreichen, ohne selbst wieder einen umfänglicheren Gebrauch
von seinem Pinsel zu machen, und als er endlich 1535-1541
die Malereien der sistinischen Kapelle mit dem grossen sjüngsten
Gerichta der Altarwand abschloss, machte sich dem frischen Erguss
der Deckengemälde gegenüber schon einige Gequältheit und dazu
in der kmftvollen Manifestation von Kürperlichkeit und Bewegung
eine Absichtlichkeit bemerklich, welche uns an den Sibyllen und
Propheten, ja selbst an den Dekorativfiguren nicht auffällt. Ein
entschiedenes Sinken aber zeigen die zwischen 1542 und
1550 für Papst Paul III. ausgeführten Wandgemälde der Capeila
Paolina im Vatikan, die wBekehrung des Saulusa und das vMar-
tyrium Petrica darstellend. Dabei ist wohl weniger die zunehmende
Entfremdung und Abneigung des Künstlers der Malerei gegenüber,
wie sie bei überwiegender und bevorzugter Beschäftigung mit der
Plastik und zuletzt mit der Baukunst allerdings entstehen konnte,
als Erklärungsgrund geltend zu machen, und wohl auch nicht die
sich steigernde Konsequenz seines plastischen Stiles, als vielmehr
die Einwirkung seines sich mehr und mehr verdüsternden Alters.
Schon die Kompositionen sind geringer: der kopfüber erscheinende
Christus, umgeben von strahlenfürmig angeordneten Engelsjünglingen
und das schlecht gezeichnete Hiehende Pferd in der Mitte des
Saulusbildes, oder die verrenkte Gestalt des gekreuzigten Petrus
auf dem anderen Werke lassen sie im Vergleich zur Sistinadecke
in sehr unvorteilhaftem Lichte erscheinen. Von hoher Schünheit
aber scheinen stets die Studienblätter geblieben zu sein, von
welchen die Sammlungen in Oxford und Windsor, in Wien
(Albertina) Venedig (Akademie) undMailand(An1brosiana) zahlreiche
besitzen. Doch zeigen auch sie, dass sich der Künstler bei seinen
späteren Arbeiten des Naturstudiums nicht selten gänzlich entschlug.
Michelangelo starb am 19. Februar 1563 im Alter von 88 Jahren
zu Rom, und wurde in S. Croce zu Florenz bestattet.