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Malerei
Die
im
Italiens
Cinquecento.
Das Widerstreben Michelangelos dürfte dabei wohl kaum sehr
ernstlich gewesen sein. Denn was konnte, wenn doch plastische
Ailfträge fehlten, dem Schdpfer der Cascinaschlacht erwünschter
erscheinen, als eine cyklische Darstellung der Genesis auf einem
Raum, der seinem Riesengeist gross genug erscheinen mochte,
der ihn durch die zu überwindenden Schwierigkeiten der Gliederung
eines Deckengewülbes nur reizen konnte und der überdies in seinen
Wänden durch eine stattliche Reihe von Werken seiner besten fioren_
tinischen Vorgänger, worunter sein Lehrer, zum Wettkainpf hera.ug_
forderte. Er warf sich daher mit trotzigern F euereifer auf das Werk,
das er eigenhändig zwischen 1508 und 1512 bewältigte und zur ge-
waltigsten Schüpfung ihrer Art entfaltete, welche jemals entstanden iSL
Den Gewülbspiegel durch perspektivisch gemalte Architektur-
gliederungen in mehrere Felder zerlegend, schmückte er diese mit
den grossartigen Hauptbildern der xScheidung des Chaosa, der
wErschaHung von Sonne und Monde, der ))'1'ierwe1t44, des wersten
Menschena und vEvasa (K1. B. 250), mit der Darstellung des
vSündenfallse, des wAbelopfersa, der wSintfluthe und der xTrunkel-b
heit Noahse. Daran reihen sich in den vier Eckzwickeln die
veherne Schlangeer, vvl-Iamans Kreuzigunga vILIdith und HOIOfCIHQSK,
rvDavid und Goliathe. In die Dreieckfelder zwischen den Stich-
kappen setzte er dann zwülf männliche und weibliche Gestalten, die
sieben wuchtigen Propheten jonas, Jeremias, Ezechiel, ]oel, Zacharias
(K1. B. 339), Jesaias und Daniel (K1. B. 395), und die fünf weib_
lichen Hünengestalten der persischen, erythräischen (K1. B. 70),
delphischen (Kl. B. 46), cumäischen (K1. B. 315), und libyschen
(K1. B. 236) Sibyllen. Weiterhin in den Schildbogen und Stich-
kappen über den Fenstern den Stammbaum Christi in manigfaltigen
Familienscenen anbringend, verband er das Ganze dureh kraftvolle
Architektur und zahlreiche damit zusammenhängende Dekorativ-
figuren von ebenso wechselvoller Einzelschänheit als jugendlicher
Reckenhaftigkeit (K1. B. 267, 370, 382, 400, 405, 465, 472, 433,
489, 635, 639, 646, 657, 663) zu einer nicht bloss grossartigen
sondern auch harmonischen Gesamtwirkung.
Hat schon Lionardo den Schulzusammenhang abgeschütteh,
so steht Michelangelo ganz ausserhalb desselben. Seine Auffassung
ist rein subjektiv, sein Schaffen ganz aus seinem persünlichen
Ideal entsprungen. Das Riesenhafte seiner Gestaltungskraft und
seines Geistes unterwirft sich das ihm zugeteilte Darstelhlngsgebiet
in der Weise, dass es etwas ganz anderes wird, a1s es unter irgend
einer anderen Hand hätte werden künnen. Er stellt ein Titanen-
geschlecht dar, wie es nur seine Phantasie aus der Wirklichkeit