Die
Malerei
Italiens
im
Cinquecento.
Lionardo
da
Vinei.
Wenn wir dem Cinquecento ein besonderes Buch widmen,
so beruht das keineswegs bloss auf Tradition und auf chrono-
logischer Abrundung. Denn obwohl selbstverständlich die Fäden
der ganzen Entwicklung ununterbrochen vom 15. ins 16. Iahr-
hundert herüberlaufen, so verändert sich doch mit dem Eintritt des
Cinquecento das ganze Bild. Was vorher noch unvollkommen
und Vorstufe, tritt jetzt in seine Vollendung, was vorher hoI-T-
nungsvolle Blüte, reift jetzt zur Frucht.
Die Kunst entringt sich den Fesseln lokaler Gebundenheit
und Genossenschaft. Land und Stadt verliert den massgebenden
Einfluss auf den einzelnen Angehürigen, der sich bisher schüpfend
und spendend zugleich seinem Verbande eingefügt und unter-
geordnet, die Persünlichkeit grosser Meister durchbricht die ürtlichen
oder provinziellen Schranken. Lionardo, Michelangelo, Andrea
del Sarto, Raphael, Correggio verlieren den Charakter als Glieder
der Horentinischen, umbrischen oder norditalischen Lokalschulen,
wie Dürer und Holbein der Jüngere jenen der nürnbergischen
und augsburgischen, und ihr persünlicher Stil setzt sich an die
Stelle des früheren ürtlich genossenschaftlichen. Ihre Art eman-
zipiert sich von der allgemeinen ihres Geburtslandes, und die
Schulen, welche sie gründen, sind nun an den Namen des Gründers
und nur mehr sehr lose an den Ort seiner Thätigkeit geknüpft.
Das schliesst freilich nicht aus, dass Vieles von der alten in die
neue Ära herüberreicht, welche ja auch einen grossen Teil ihrer
Errungenschaften noch dem Quattrocento verdankt. Fast alle
grossen Meister des Cinquecento wurzeln auch noch im vorausge-
gangenen Jahrhundert, in welchem einige derselben auch schon
ihre entscheidenden Schritte gethan haben.
Reber, Geschichte. 10