Flandrische
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Mittel dar, welches die van Eyck ohne Zweifel erst ergriffen, als
sie sich in der Gouachetechnik des Miniaturwerks wie in der
'I'e1npera des Tafelbildes an der Grenze des Müglichen sahen.
In diesem Sinne und im Gegensatz zu dem längst verwendeten
Ülfarbenanstrich im gewerblichen Dienst sind sie thatsächlich die
Eründer der Ühnalerei.
Doch war dies bloss Mittel zum Zweck. ilhr künstlerisches
Ziel war, die realistischen Bestrebungen, wie sie bereits ihre Vor-
gänger, die Miniatoren an den Hüfen Karl V. von Frankreich und
seiner Brüder nach ihren relativ schwachen Kräften gepüegt, auf
eine seit dem Altertum unerreichte Hühe zu steigern, und zwar
nicht bloss im allgemeinen und in der Gesamtwirkung, sondern
bis ins kleinste Detail. Der Konsequenz, mit welcher sie dies
Ziel verfolgten, der hingebenden Sorgfalt, mit Welcher sie ihr
Programm zur Ausführung brachten, entsprach auch der beispiel-
lose Erfolg. Sie zeigten der staunenden Welt, was das schärfste
Auge wirklich sieht, und bewältigten die Wiedergabe der Realität
mit einer Meisterschaft, zu welcher nie Fleiss und Wollen allein,
sondern nur das Genie zu gelangen vermag. Die Fesseln der
Tradition Waren wie mit einem Schlage gefallen.
Es giebt kaum einen zweiten Fall in der Knnstgeschichte,
in welchem, in so scharfern und plützlichem Bruche die voraus-
begangenen Bahnen verlassen und neue mit so glänzendem Ge-
lingen erüffnet wurden, wie durch das Auftreten der van Eyck.
WVenn es auch wahrscheinlich ist, so lässt es sich doch kaum erweisen,
dass Huybrecht seinem Bruder vorzmging. Denn wir kennen von dem
ersteren nur die letzten Lebensjahre und nur sein letztes Werk,
dessen Vollendung überdies der länger lebende ]an besorgte.
An diese ilnifängliche Schüpfung, das von dem Genter Bürger
]oest Vyd und seiner Geniahlin Lisbet Burlut nach S. Bavo in
Gent gestiftete Altarwerk, knüpft sich daher unsere ganze Kenntnis
von Huybrechts Kunst. Dabei kännen für ihn nur die in
S. Bavo zurückgebliebenen rnittleren "Ieile, niimlich die Figuren der
pAnbetung des Lammesr: in der unteren Reihe, und die dre1 T afeln mit
den lebensgrossen Gestalten Christi und beiderseits Mariä und
des Täufers in der oberen Reihe, und ausserdem die einst an die
letzten sich anschliessenden Flügel mit den singenden und musizieren-
den Engeln, jetzt in der Galerie zu Berlin, in Betracht kommen.
Diese Teile sind durch einen grossartigen idealen Zug, der sich
mit der sonst realistischen Behandlung verbindet und sich an den
beglaubigten Schäpfungen Jans nicht Ündet, von den übrigen
Tafeln des Werkes ausgezeichnet, und dadurch als der Anteil