Einleitung.
in den ältesten Kirchen, im Westen oder, wie später üblich, im Osten erheben,
durch nichts fesselt das Innere der Eingangsseite den Blick; dagegen erscheint
bei doppelchörigen Kirchen der ganze Bau zerrissen in zwei einander an Be-
deutung mehr oder minder gleiche Hälften; die Eingänge, zunächst an die
Seite der neuen, zweiten Apsis verlegt, verschwinden dort bald, um als grosse
Prachtportale an den Langseiten zu erscheinen; mehr Scheu bewies man anfangs
vor der nun auch gebotenen Beseitigung der Vorhalle, die in enger Beziehung
zum Cultus stand; einen interessanten Versuch zur Lösung dieser Schwierigkeit
zeigt der Bauplan von St. Gallen, wo die Form der Vorhalle der halbrunden
Westapsis angepasst wird. Schon hier finden wir neben den Eingängen zur
Seite des Westchores andere in beiden Langseiten wie auch im Querschiff, so
dass den Klosterinsassen, die durch letztere eintraten, sich nicht wie sonst in
der Basilika sofort jene Perspective auf das Sanctilaritim eröffnete und ihnen
in dieser Hinsicht eine Umgestaltung der ursprünglich den Eingängen gewidmeten
Schmalseite gegenüber dem Chore weniger befremdlich und störend erscheinen
musste.
Kaum Wird freilich nach der Hinzufügung der zweiten Apsis ein Eindruck
derart erzielt worden sein, wie ihn Schnaase behauptet, dass die beiden Nischen
im Osten und Westen, wenn man sie sich vereinigt denke, ein Kuppelgebätlde
bilden, dessen Bedeutung, auch wenn seine beiden Hälften durch das dazwischen
gelegene Langhaus getrennt seien, noch sehr fühlbar werde. Die doppelchörige
Anlage so gewissermassen als eine Verbindung des Rundbaues mit dem Basi-
likentypus zu betrachten und sie als ein Resultat der Einwirkung des Aachener
Münsters hinzustellen, ist schon deshalb misslich, weil uns über die Gestalt,
den Aufbau der doppelten Apsiden bei den ältesten Anlagen jede Kunde
fehlt. Von der Abteikirche zu Centula in Frankreich, welche, wir wir sehen
werden, die Stammtitter der ältesten doppelchörigen Kirchen wurde, vermögen
wir nur den Grundriss zu reconstruiren, und nicht viel anders steht es mit der
Salvatorkirche in Fulda; auf dem alten Plane der Klosterkirche von St. Gallen
zeigt der Westchor bis auf das fehlende Querschiff einen dem Ostchor gleichen
Grundplan, aber über seinen Aufbau wissen wir nichts; beim Dom zu Trier
fehlt uns jede Anschauung von der ehemaligen Gestalt seiner Ostseite, und
ähnliche Ungewissheiten müssen wir bei anderen doppelchörigen Bauten der
älteren Zeit registriren.
I)ie noch bestehenden Anlagen dieser Art dagegen widersprechen durch-
gängig geradezu dem Urtheile Schnaases. Denken wir uns bei ihnen das
Langhaus entfernt und den Westchor an den Ostchor gerückt, so dürfte in
keinem einzigen Falle ein harmonisches Kuppelgebäude entstehen, vielmehr
wird bald der Ostchor den Westchor; bald dieser den ersteren an Scheitelhöhe
mehr oder minder überragen, und ebenso wird sich Breite, Tiefe u. s. w. in
vollkommen verschiedenen Maasen darstellen.