Doppelchöre
VOIII
achten
bis
ins
elfte
Jahrhundert.
In unserer Frage nach dem Ursprünge der Doppelchöre pflegte man bisher,
nach Erwähnung der genannten afrikanischen Denkmäler und allenfalls noch
der anscheinend mit zwei Apsiden zu denkenden Kirche zu Abbendon in Eng-
land (aus dem Jahre 675), sogleich auf die Salvatorkirche in Fulda, die ihren
zweiten Chor zwischen 802 und 819 erhalten, überzugehen. Erst in jüngster
Zeit hat Graf l) auf ein älteres Denkmal aufmerksam gemacht, das, soweit uns
heute bekannt, die früheste doppelchörige Anlage repräsentirt und deshalb hier
einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen sein wird. Es ist dies die Kirche
der Benedictinerabtei Centula (St. Riquier) bei Abbeville in der Diöcese Amiens. i)
UnSefe Anschauung von dieser Kirche basirt auf zwei Biographien ihres _Er-
bauers, des Abtes Angilbert. Die eine derselben ist gegen das Ende des elften
Jahrhunderts von dem Mönche Haritilf, die andere von dem Mönche Anscherus,
wahrscheinlich um 1110, verfasst wordenß)
Die Vita Angilbertiiauctore Hariulfo berichtet im vierten Capitel die E1-
Wählung Angilberts zum Abt von Centula, im Jahre 793. Angilbert wurde
damit sechster Nachfolger des Gründers jenes Klosters, des Richarius. Seine
erste Sorge war die Ausbesserung der Klosterbauten und insbesondere der Kirche
In der Absicht, über dem Grabe des Richarius eine "elegantem basilicam" zu
errichten, begann man mit dem Abbruch der alten, von diesem ersten Abte
selbst gegründeten Kirche, und schon 798 stand der Neubau vollendet da,
A) Upus francigenum, S. 114.
2) Ob, wie Graf a a. O. vermuthet, in der 556-558 erbauten Kirche des hl. Vincentius
bei Paris (jetzt St. Germain-des-Pres) der Altar des Nazarius im westlichen Kreuzann „ein
vorbildliches Element zur späteren Ausbildung des Westchores" abgegeben und ob ebendort
"die beiden Oratürien zur Seite des Westeinganges für die Ausgestaltung einer westlichen
Qlleranlage 3-15 Vorbild gegolten haben", wird wol eine offene Frage bleiben müssen.
3) S. Acta Sanctorum Qrdinis S_ Benedicti. Saec. IV, Pars I. ed. Mabillon.