XXXV.
SPANIEN
damen, die ihr aufgeraiftes Oberkleid mit duftenden Rosen gefüllt
haben oder sich zum Gras herabbetigen, um Feldbltimen zu piificken.
Antonio Fabräs wurde durch Regnatilt auf den Orient gewiesen und
erregte Aufmerksamkeit durch seine Aquarelle und Federstudien,
worin er orientalische und römische Strassenfiguren mit erstaunlicher
Geschicklichkeit schilderte. Das Non plus ultra ist die kecke, ge-
winnende, wie aus der Pistole geschossene Kunst Praalillrzs. Er ist
die grösste Erscheinung des zeitgenössischen Spanien, ein geist-
reich improvisirendes 'I'alent, das sich mit Leichtigkeit auf den ver
schiedensten Gebieten bewegt. In den geistvollen, kühnen Decorav
tionen, mit denen er spanische Paläste schmückte, spielte er ä la
Tiepolo mit Nymphen, Liebesgöttern und schwebenden Genien. Ueber
seine Arbeiten im Palais Murga in Madrid ist die ganze Grazie
des Rococo gebreitet. Leicht reihen sich die Gestalten meinander,
kokette auf Zweigen schaukelnde Nymphen und kecke, sich über-
schlagende, barock spielende Putti. Nirgends akademische Nüchtern-
heit, überall Leben, malerischer Wurf, die rauschende Fröhlichkeit
einer mühelos schaffenden, in festlicher Sinnenfretide schwelgenden
Phantasie. In den dazu gehörigen Wandbiltiern liess er die Zeit der
T roubadours, des süssen Minnegesangs und der Ritterromantik ohne
gedankenhzifte Schwere in zart anmuthigen, fliessenden Gestalten auf-
leben. Und derselbe Maler, der diese riesigen WandHachen leicht
tiindelnd mit Stoifen aus der Fabelwelt füllte, erscheint wieder als
ganz neuer, wenn er in tnarkigen, treffsicheren Würfen Ausschnitte
aus dem Leben unserer Zeit festhält. Seine Historien sind Viferke,
die zur Achtung nöthigen; jene Bildchen winzigsten Formats aber,
in denen er Scenen aus dem römischen Carnevttl und dem spanischen
Lagerlebeti, den Meeresstratnd und die FEISClIiIIgSlLISI mit zahllosen
Figuren in höchster Lebendigkeit, einer unerhörten, von aller Pein-
lichkeit freien Detailatisführung, voll Pracht und Farbenglatnz schil-
derte sie waren Malerleisttingen, neben denen als musikalisches
Seitenstück höchstens Pagauiinis Variationen auf der G-Saite stehen
Kunststücke, deren heute nur Pradilla fähig ist und wie sie vor
30 Jahren nur Fortuny malte. In diesem wunderbarenAkrobaten der
Palette verkörperte sich die Kraft des romanischen Genius. Er ist
nicht allein den Spaniern noch heute für Stoff, Technik und Farbe
massgebend, sondern auch der geistige Ahn, auf den die moderne
italienische Malerei zurückgeht.