XXXV.
SPANIEN
Fältchen und Modellirungen, diese prismatischen Brechungcn und
curiosen Reflexe wollen die Modernen nicht sehen, sie zwinkern mit
den Augen, um desto deutlicher die Hauptvaleurs zu bekommen.
sie vereinfachen, wollen nicht durch tausend Kleinigkeiten von der
Hauptsache ablenken. Ihre Bilder sind Kunstwerke, die der For-
tunisten Kunststücke. Von einer ernsten Analyse des Lichtes ist in
der ganzen Bric-a-brzic-Ktinst nicht die Rede. Die bunten Farben-
Heckchen ergeben zwar einen gewissen Akkord, aber es fehlt an Ton
und Luft, an jeder feineren Empfindung, Alles wirkt gefärbt, nicht
farbig. Immerhin haben diejenigen, die unabhängig genug waren,
sich von der blendenden Fingerfertigkeit des Taschenspielers nicht
ganz behexen zu lassen, Bildchen von sehr talcntvollem Raffinement
gemalt und, von Fortunys Rococowerken ausgehend, bald die elegante
Welt, bald das farbige, warmblütige Volksleben des modernen Spanien
mit kecker, geistreicher Leichtigkeit geschildert. Ueber die Beobacht-
ung der äusserlichen Seiten kamen sie nicht hinaus. Sie lassen
Guitarreros mit Castagnetten und Panderetten klappern, Majas tanzen
und schleifengeschmückte Helden Stiere statt der Mauren und Juden
besiegen. Aber ihre Bilder sind Wenigstens lebensfroh, farbig, von
sinnlichem Glanze sprühend und zuweilen von stupendem Geschick.
Martin Rico war am längsten in Italien mit Fortuny zusammen,
und auch seine Bilder haben das Funkeln des Juwelenkästchens, das
Prickelnde perlenden Sektes. Namentlich einzelne Marinen, wie der
Kanal von Venedig oder die Bucht von Fontarabia könnten von For-
tuny gemalt sein. In andern erscheint er ruhiger, harmonischer als
dieser. Der Vortrag ist kräftiger, weniger geistreich tüpfelnd, das Licht
gewinnt an Intensität und atmosphärischer Feinheit, was es an neck-
ischen_ Capricen verliert, und die kleinen Figürchen wirken trotz der
weniger pikanten Malerei lebendiger. Man sieht ihre Umrisse kaum
und sieht sie doch gehen, sich schieben, sich drängen, während die
Fortunys gerade in ihrer subtileren mikroskopischen Durchführung
oft in der Bewegung erstarrt scheinen. Besonders ein-ige Marktscenen
mit dem dichten Gewimmel von Verkäufern und Käufern sind über-
aus geistreiche Momentaufnahmen von schimmerndem Farbenreiz.
Zamacois, Casanova und Raimundo de Madrazo, Fortunys Schwager,
sind nicht geringere Virtuosen der Palette. Marinen und kleine Land-
schaften wechseln mit Scenen aus dem spanischen Volksleben, worin
sie gleich Fortuny in Himmernder Fatrbenbuntheit schwelgen. Ma-
drazo hatte später in Paris auch als Damenporträtist grossen Zu-