Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

DEUTSCHLAN 1) 
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Unheilschwangere Nachtgesichte folgen der antiken Heiterkeit; dem 
schalkhtiften Liebestraum erschütternde Liebesdramen, jäh wechselnde 
YVantielbiltlei' von duftenden Blumengiirten und düsteren Strassen- 
scenen. Mit einer in den Wagen geworfenen Rose beginnt die Ehe- 
bruchsgeschichte seine Liebea und in der Klinik endet sie  kein 
schlüpfriges Geschichtchen, sondern eine tiefernste "Tragödie, eine 
Todtentanzphantasie von zermalmentiei" Wucht. nEill Lebend be- 
arbeitet neu das alte Hogartlfsche Thema vom Lebenslauf einer 
Dirne. Ein junges Weib, leidenschaftlich, träumend, von lockenden 
Fata Morganagesichten umgaukelt. Ein wilder Liebesrausch und dann 
Verlassen. Noth und der verführerische Klang des Goldes. Eine 
Kokette, die es kalt mit ansieht, wie zwei Rivalen ihretwegen sich 
morden. Dann Tänzerin, die auf den Brettern, in tollen Sprüngen 
wirbelnd, ihre Reize preisgibt. Ein Ende im Dunkel der Nacht auf 
der Gosse. Sie ist gerichtet   ist gerettet. Auf dem Schluss- 
blatte ragt Christus in die Nacht empor und öffnet den Ausblick in 
eine Welt der Versöhnung, der Reinheit und des Friedens.   
Auch die Kunst des 19. Jahrhunderts scheint gerettet zu sein. 
vLC propre de l'homme est dinventer, detre soi et "non pas un 
autrea ist wie in den grossen Zeitaltern wieder das Schaifensprincip 
der Besten geworden. Als Klinger im Beginne seiner Laufbahn den 
Cyklus der ovidischen Opfer schuf, eröffnete er ihn mit einer An- 
rufung der antiken Muse. Ein Arbeitstisch mit Zeichengeriitlieii ist 
dargestellt, links ein Leuchter mit heller Flamme, deren Rauch sich 
zu Gewölk verdichtet. Von Rosen umwuntieii steigt nebelhzlft ein 
Haupt von classischer Schönheit, daneben eine griechische Landschaft 
empor. Rechts auf der Tischplatte liegen zwei Künstlerhände, die 
in brünstigem Flehen zum Geist der Antike beten. Im letzten Blatt 
des Cyklus vom Tode ist ein anderes Glaubensbekenntniss enthalten. 
Eine prächtige Gruppe uralter, tinirankter Bäume lasst freien Ausblick 
auf die in heiterm Sonnenglatnz ruhende MeeresHache. Auf der Wiese 
davor kniet nackt ein Meilscheilkind, das angesichts des gewaltigen 
Oceans in die Knie sinkt und von Schönheitsschauern überwältigt, 
das Gesicht mit den Händen deckt, um die ausbrechenden Thränen 
zu ersticken. Ein ergreifender Hymnus auf die Schönheit der Natur 
ist jener stammelnden Anrufung der antiken Göttin gefolgt.  Gleich- 
sam die Anfangs- und Endstation auf dem Wege, den die Malerei im 
I9. Jahrhundert zurücklegte. Das Studium des Lebens gab ihr Frei- 
heit und nun, nachdem der naturalistische Boden bereitet, tritt auch 
Mmher, Moderne Malerei III. 42
	        
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