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DEUTSCHLAND
Klinger
Märchenbiltl von homerischer Naivetiit geschaffen. In seiner ßKfCUZlfI-
ung Christi x lebte etwas von dem ruhigen Ernst italienischer Fresken.
Seine wPietila mit den pathetisch "verzerrten Gesichtern hätte von Carlo
Crivelli herrühren können, ohne die gross gedachte, paradiesische
Landschaft, die ihre Zugehörigkeit zum 19. Jahrhundert verrieth. Und
mit dem Bild jener Nixen, die, von einer räthselhaften Lichtquelle
magisch beleuchtet, auf einsamer Mcercsklippe träumten, hatte er nach
langen Experimenten auch als Farbenkünstler sich die Rittersporen
erworben.
Doch sein eigentliches Gebiet blieb die Radirung. Hier spricht
nicht der immer noch suchende Techniker, sondern der Meister. Ein
grübelndes, iinderisches Talent, hat er durch Mischung mit Aqutatinta-
maniei" und reinem Stich die Radirting zu so erstaunlicher Höhe der
Ausdrucksfähiglteit entwickelt, dass einige Blätter seines oeuvre schon
technisch dem Bestande des Besten sich einreihen, was die Kunst-
geschichte tiberhatipt hinterliess. Spätere Zeiten werden wohl von
seinem Auftreten eine neue Epoche der Grillellttlnst datiren. Wie
früher Staufer-Bern durch ihn seine nachhaltigsten Anregungen erhielt,
so hat heute Otto Greiner, eines der kräftigsten und entwicklungs-
fähigsten Talente Münchens, von Klinger angezogen und mit bewun-