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DEUTSCHLAND
auch die sanften deutschen Märchen mit Lindenblüthen und ver-
zauberten Königssöhnen beschäftigten ihn. Der Abendhimmel strahlt
wie flüssiges Gold. Auf der dämmerigen Wiese steht eine Königs-
tochter und blickt neugierig hernieder zu einem Frosch, der ein
Krönlein auf dem Kopfe trägt: ein verwunschener Prinz. Ganz
stilisirend ornamental im Sinne einer barocken Antike wirkten Bilder
wie der MDUSiClICHClC OYPDCLISK, der grau in grau gemalte Samson,
der Kopf einer Pallas Athene und die Figur eines muskelkriiftigen
jungen Athleten, der eine Statue der Nike und einen Lorbeer in den
Händen trug. Die nSÜHdCe ist ein üppiges YVeib mit bernstein-
bleichem, von rabenschwarzen Locken umrahmte'n Gesicht, deren
weiche, glänzende Augen erschreckt und doch sehnsuchtskranl;
lächeln, während an ihrem Körper in Wollüstigem Kreisen der kalte
Leib einer Schlange sich reibt. Er zeigt die Medusa, die mit
schmerzxierzerrtem, erstorbenen Blick in's Leere starrt. Auf der Aus-
stellung 1890 hatte er eine Pieta von ganz versteinerter Classicität.
Die Leiche des Heilandes lag starr auf einem Marniorsocltel, die
Mutter stand aufrecht, kerzengerad wie eine Bildsäule daneben, mit
den Händen das Gesicht verhüllend. Eine tiefe Golgathasymphonie
mit vollen coloristischen Fugen war die äKretizigunga von 1891.
lag etwas schottisch Düsteres und venezianisch Blühendes in der
kräftigen, herben Farbe dieser Wallendeil, schwarz-karnioisinrothen
Priestermäntel, etwas Brutales, Herculisches in der starren Zeichnung
der nackten Körper, etwas caricattirhaft Verzerrtes in diesen brtillenden,
heulenden, Wuth und Entsetzen schnaubendenJuden, die ihr sKreuziget
ihm schrieen.
Trotz dieser grossen stofflichen Verschiedenheit geht ein einziger
scharf ausgeprägter Zug gleichsam ein Zug ltunstgewerblichen
Schöpfungsvermögens durch Stucks Bilder. Jedes Werk über-
rascht durch seine seltszune geschmackvolle Farbeneigenart und die
geschickte, bald an die Griechen, bald an die Japaner anklingende
Zeichnung. Ueberall besticht er durch leichte, spielende Mache, durch
starken Sinn für decorative Wirkung. Aber er gehört nicht zu den
Künstlern, zu denen man seelisch Stellung nimmt. Zeichnet Rops
einen Satan, so flammt in diesen glimmenden, unheimlich lauernden
Augen ein düsteres Feuer. Es ist in ihnen etwas von der Schlange
und etwas von Nero, der traumverloren in die Flammen des bren-
nenden Rom starrt. Burne-jones fesselt durch seine süsse Wehmuth,
Boecklin durch die geistige NVucht, mit der er durch die ganze Scala