Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

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DEUTSCHLAND 
snun kann ich Euch, mein lieber Johannes, mit wenigen XVorten 
recht den Unterschied der alten frommen und der jetzigen vertlerbteren 
Zeit vor Augen bringen.  Seht, damals waren die heiligen Ge- 
schichten so in das Leben der Menschen eingedrungen, ja, ich möchte 
sagen, so im Leben bedingt, dass jeder glaubte, vor seinen Augen 
habe sich das Wundervolle begeben und jeden Tag könne die ewige 
Allmacht Gleiches geschehen lassen. So ging dem frommen Maler 
die heilige Geschichte, der er seinen Sinn zugewentlet, in der Gegen- 
wart auf; unter den Menschen, wie sie ihn im Leben Lnngaben, sah 
er das Gnatdenreiche geschehen und wie er  lebendig geschaut, 
brachte er es auf die Tafel. Eben daher aber, mein lieber Johannes, 
weil die Gegenwart zu prolan ist, um nicht mit jenen frommen 
Legenden in hässlichem Widerspruch zu stehen, eben deshalb, weil 
Niemand im Stande ist, sich jene YVunder als unter uns geschehen 
yorztistellen, muss auch die Darstellung in tinserem modernen Costüm 
uns abgeschmackt, fratzenhaft, ja frevelig bedünken. Liesse es die 
ewige Macht geschehen, dass vor unser aller Augen Wirklich ein 
Wunder sich ereignete, so könnten wir auch im Bilde das Kostüm 
unserer Zeit vertragen; so lange dies nicht der Fall, aber werden die 
jungen Maler, wollen sie einen Stützpunkt finden, darauf bedacht 
sein müssen, in alten Begebenheiten das Kostüm des jedesmaligen 
Zeitalters, so wie es erforderlich, richtig zu beobachten. Si duo idem 
faciunt non est idem, und es ist nicht ausgeschlossen, dass, was mich 
bei einem alten Meister mit frommen, heiligen Schauern erfüllt, mir 
bei einem neuen wie eine Profanation  
Diese Stelle findet sich in Th. A. Hoffmanns aLebensansichten 
des Katers Nlurra, 1820, und erklärt vielleicht, weshalb Uhdes Bilder 
trotz aller Wahrheit, trotz alles Reichthums seelischer Empfindungen 
auf die Mehrheit des Publikums doch eher seltsam als überzeugend 
wirken. Worauf die alten Meister, wie man annimmt, ganz Lmbewusst 
kamen, was bei ihnen aNaiVetiita und Natürlichkeit war, wird bei 
Uhde als logischer Schluss, als das Resultat einer complicirten Ge- 
dankenreihe empfunden. Wenn er mit seinen Bildern gewisse sym- 
bolische Gedanken verknüpfte, Dinge darstellte, die gleichsam das 
ewig Fort wirkende der christlichen Lehre spiegeln, war es leichter, 
ihm auf seinem Wege zu folgen. Nicht einmal tröstet nach dem 
Glauben Jesus die Klagenden, nicht einmal tritt er als Freund der 
Armen an ihren Tisch, nicht einmal bricht er mit den Seinen das 
Brod: sich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Endes. Aber als
	        
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