596
XLIX.
FRANKREICH
ein Schöpfer. Felicien Rops
führt heute ein sehr gemäch-
liches Leben. Man kann ihn
jedcn Tag auf den Boulevards
sehen, eine grosse hagere Ge-
stalt mit wirrem, braungrattien
Haar, lebhaft blitzendem
Auge und scharfgeschnit-
tenem Gesicht, dem ein
spärlicher, in zwei kleinen
Spitzen auslaufender Bart
einen leicht mephistophe-
lischen Zug gibt. In seinem
Atelier geht es aus und ein
von Besuchern. Rops, immer
beweglich, sprüht in einem
Feuerwerk von Laune und
Witz, geht vom einen zum
andern, steckt immer von
neuem die ewig ausgegangene
Cigarette an. Allein, be-
schäftigt er sich vorzugs-
weise mit Bltinieiizucht und
verwendet alljährlich grosse Summen, um in Haarlem und Antwerpen
waltea Rosen oder Tulpen aufzukatifen, aus denen er neue Spielarten
züchtet. Unter solchen Zerstreuungeil vergeht der Tag, ohne dass
er anscheinend etwas vollendet. Erst in der Nacht entstehen seine
Werke. Die Träume, die Andere träumen, wirft er wachend mit
sicherer Hand auf's Papier. Seine Erinnerungen verdichten sich. Alles,
was er in seiner Vie de debauche erlebte, zieht an seinem Auge vorbei,
und er erzählt davon mit dem Ernst des Philosophen.
Baudelaire hat in einem Gedicht aDOll juan aux Enferse die Scene
behandelt, wie die Pforte der Hölle sich hinter diesem Künstler des
Lebensgenusses schliesst und wie ihm, der das Weib und seine
Schmerzen verachtete, ein wildes herzzerreissendes Geheul aus dem
Munde zahlloser Frauen lllltilhlvlöllßft. Rops zeigt die Kehrseite der
Medaille. Die Alleinherrscheriii in seinem Werke ist das Weib.
Sie ist für ihn, was für die
maler die Madonna gewesen.
Griechen Venus, für die Renaissance-
Keiner hat den weiblichen Körper mit