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XLIX.
FRANKREICH
glitzert. In der Hand hält sie
wie die Picdalne des Kartenspiels
eine grosse Blume. Haufen pfeil-
durchbohrter Leichen liegen ihr
zu Füssen. Doch sie hat keinen
Blick des Mitleids für die Sterben-
den, deren Röcheln zu ihr herauf
dringt. Ihre Weiten, gefühllosen
Augen blicken starr in's Leere. Sie
sieht im Gold des Sonnenunter-
ganges den Rauch, der vom Lager
der Griechen aufsteigt. Sie wird
die schönen Schifle des Menelaos
besteigen, wird ll11 Triumph nach
Hellas zurückkehren, wo ihr neue
Liebe beschieden. Und die Blicke
der Greise haften bewundernd auf
ihr. xEs ist recht, dass um ein solches YVeib die Achaeer und Troer
kämpfenß Helena in ihrer blonden, wollüstigen Schönheit verwandelt
unter Moreaus Händen sich in däs Verhängniss, das über blutgetränltten
Boden schreitet, in die Gottheit des Unheils, die, ohne es zu wissen,
Alles vergiftet, was sich ihr nähert, was sie betrachtet oder berührt.
In dem Bilde der Galatea feiert sein Geschmack an Juwelen und
Email die höchsten Triumphe. Die Grotte ist ein grosser, glitzernder
Schmuckkasten. Blumen aus Sonne, Blätter aus Sternen, Ranken von
Korallen strecken ihre Zweige aus und öffnen ihre Kelche. Mitten
darin im Allerheiligsten ruht als das glänzendste Kleinod der strahlende
Körper der schlafenden Galatea. eine Art griechische Susanna, vom
glotzenden Demantauge Polyphems belauscht.
Und wie er diese griechischen Gestalten in die süsse Dämmerung
einer tiefen romantischen Melancholie taucht, so sind die Figuren der
Bibel bei Moreau von einem Schatten indischen Buddhismus, vom
Hauche einer pantheistischen Mystik umHossen, der auch sie in ein
sonderbares modernes Licht rückt. In seinem vDilvidx schildert er
still und friedlich das Eingehen einer Menschenseele in's Nirwana.
Der uralte König sitzt träumend auf seinem reichen Thron. Ein
Engel in glänzender Schönheit wacht bei dem Phantom, dessen
LebensHannne langsam verlöscht. Ein merkwürdiges Himmelsliclit
fällt auf ihn hernieder. Zwischen den Pfeilern hindurch blinkt