XLVIII.
WrnsrLER
SCHOTTEN
UND
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eine Sammlung von französischen und holländischen Bildern zur
Stelle gebracht. Man sah zum ersten Mal Millet, Corot, Diaz,
Israels, Maris, Bosboom und Mesdag. Auch Farbensymphonien
Whistlers waren vorhanden. Monticellis Bilder wurden vorgeführt
und vielfach gekauft. In diesen Meistern entdeckten die jungen
Maler wahlverwandte Elemente. Ihnen zu folgen, ihnen es gleiche
zuthun, wurde die Absicht. Aber nachdem sie sich vollgesogen an
den fremden Ideen, bewirkte die Natur ihres Landes, dass sie sie
in seltsamer Umformung fast als etwas ganz Neues aus sich heraus-
schlenderten.
Glasgow ist bekanntlich, so Wenig es selbst landschaftlich bietet,
die Eingangspforte ins schottische Hochland und dieses das roman-
tischste aller Länder der Welt. Oede Schluchten wechseln mit wilden
ernsten Thälern, mit schwarzen Seen und dunkeln einsamen Ufern.
Eichen und Buchen neigen vom Felsengestade ihre Zweige tief in
die stille Fluth. Die Umrisse der Berge sind kühn und wild, aber
zerbröckelt, zerrissen und verwittert, als hätte eine vor Alter zitternde
Hand sie gezogen. Duftiges Haidekraut, über dem, berauscht von den
würzigen Wohlgerüchen, Millionen von Bienen und Schmetterlingen
stimmen und flattern, überzieht wie mit röthlichem Teppich den Boden.
Der Himmel ist fast immer bewölkt, die Wolken hängen niedrig an
den Bergen, und was zwischen Erde und Aether wogt, erscheint wie
von weichem Schleier umhüllt, der selbst die stärksten Farbenspiele
durch eine Fülle zarter Tonübergange verbindet. Während in Nor-
wegen die klare durchsichtige Luft in fast brutalem Realismus alle
Einzelheiten in frischen Farben abzeichnet, liegt es hier wie ein
grosses tiefes Geheimniss über der ganzen Natur. Alles ist Ton-
symphonie in den Stunden der Dämmerung, wenn der Himmel einem
tiefen Purpurdom gleicht und die alten Felsen wie von innerem Feuer
erhitzt glühen. Unheimlich träumerisch kriiuseln die stillen schwarzen
Landseen ihre Stirn. Nur an den haidebewachsenen Abhängen weiden
hie und da gespenstische Schafe, oder ein heiserer Mövenschrei durch-
tÖnt hungrig klagend die Luft.
Dieses düster melancholische Land war wie geschaHen, die Wiege
romantischer Sagen und Dichtungen zu werden. Schottland ist das
Land des zweiten Gesichts, das Land der Ahnungen und Träume.
Klatgend und wehmüthig sind die Lieder, die alte grztubärtige Musikanten
zum schottischen Nationalinstrtimeiat, der Sackpfeife singen. An jeden
Felsenvorsprung, an jede waldige Schlticht knüpfen sich Legenden und