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XLVIII.
UND
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SCHOTTEN
Und überschauen wir diese Entwicklung, so ist der Unterschied
der schottischen Malerei gegenüber der englischen leicht kenntlich.
Während jene von bunter Kleinlichkeit zu delicater, aqtiarelltirtiger
Zartheit gelangte, hatte die schottische von Anfang an etwas Sonores,
Tiefes, die Vorliebe für schwellende, volle Akkorde. Die Engländer
suchen den Endzweck ihrer Bilder in geistiger Tiefe und eleganter
Poesie. Die Schotten sind Maler. Die Farbe fand bei ihnen einen
Culttls, wie nicht mehr seit Tizians Tagen. Und wie die grössten
Maler, so hatten sie in David Scott, Noel Paton u. A. auch einige
der grössten Phantasten des Jahrhunderts. Mit der Liebe für die
Heimath, für ihre Thäler und Berge verband sich das romantische
Eintauchen in die heimische Vergangenheit.
Gleichwohl war Edinburgh nicht der Boden, um alle die Keime,
die von der Natur in das schottische Temperament gesenkt WLIFCI],
voll zur Entfaltung zu bringen. Das nordische Athen wird es
trellend genannt. Seine hauptsächlichsten Bauten sind classicistisch,
111it Säulenhallen, Friesen und Giebelfeldern. Die zahlreichen Denk
mäler schottischer Dichter imitiren den zierlichen Rundtempel des
Lysikrates und andere Bauten der attischen Dreifussstrasse. Das
Nationaldenkinal auf Calton-Hill reproducirt die Ruine des Parthenon.
Glasgow ist eine moderne Stadt, wo nichts an die Vergangen-
heit erinnert. Nur als Dampfschiffsstadt spielt es in der Cultur-
geschichte des I9. Jahrhunderts eine Rolle. James Watt wurde hier
geboren, die ersten Dampfschilisräder peitschten 1814 die Wellen, fast
alle grossen Dampfer, die von Europa den Ocean durchkreuzen, werden
in Glasgow gebaut. Rauchige Fabrikschlöte, Batumwollspinnereien,
Töpfereien und Glashütten geben sonst der Stadt das Gepräge,
Ein solcher Ort war berufen, auch in der Kunst gegenüber
dem conservativen Edinburgh das moderne Element zu vertreten.
Dort überwiegt im Volkscharakter noch das angelsächsische Wesen,
in der Akademie die Lehrmethode Leightons. Glasgow hat keine
Akademie und der Charakter seiner Bevölkerung ist gälisch. Eine
alte Stammesverwandtschaft verbindet diese Urschotten über England
hinweg mit Frankreich. Die modernste aller modernen Schulen,
die von Fontainebleau, bedeutete den jungen Schotten den Anfang
der Kunst.
Die äussere Veranlassung dazu, dass die Glasgower Malerschule
in diese Bahnen einlenkte, gab eine Ausstellung, die im Jahre 1886
dort veranstaltet wurde. Ein Privatmann hatte auf eigene Kosten