S44
XLVIII.
WHISTLER
UND
Scn0'
besass Edinburg den mitnnlichsten und kühnsten aller britischen
Bildnissmaler, einen Meister von mächtiger Plastik und V elazquezscher
Waicht. Während Reynolds seine Bilder in altmeisterlich feine Töne
zusamrnenstimmte, malte Ratebtirn seine Modelle unter scharfem Ober
licht. Die schreiendsten Farben rother Amtsröclte, grüner Hochlands-
joppen, bunter Frauenkleider sind ruhig, fest, sicher, ohne Abtönung
neben einander gesetzt und gleichwohl zu harmonischer Einheit ge-
bändigt. David Wilkie, der treffliche Genrenraler, gewann bald darauf
einen europäischen Namen. Die beiden [aber], folm und Thomas, setzten
Wilkies harmlose Kunst bis zur Gegenwart fort; Erslrintz Aliml übertrug
Ostatdes Goldton auf Vorgänge des irischen Lebens; George Harvey,
seit 1864 Präsident der Edinburger Akademie, wurde der schottische
Defregger, dessen Bilder im Kupferstich weite Verbreitung fanden.
Die Landschaftsmalerei begann mit Alexander Äfasnzytlz, der etwa
mit Old Crome, dem englischen Hobbema parallel geht. Noch be-
rühmter wurde sein Sohn Patrick, ein Maler für Amateurs, dessen
Bilder sich neben guten alten Holländern behaupten. Edmund Tlzornfuu
Cratuford that einen ähnlichen Schritt wie in England Constable.
Seine im Vortrag prickelnden, in der Stimmung ernsten Werke sind
die ersten, die sich vom altmeisterlichen Ton befreiten und auf energ-
ische Beobachtung des Luftlebens drangen. Hurmtio Macculoclz weckte
die Begeisterung für die schottische Berglandschaft, die er zuerst in
ihrer wunderbaren Tieftonigkeit erfasste. Das Streben nach lebhafter
Beleuchtungsscala hat ihn oft zu leerer Bravourmalerei geführt. Die
Vfolken erscheinen noch stahlblatier, die Seen noch pnrpurner, als
sie im farbenreichen Schottland ohnehin sind. Doch da Spätere ihm
in seiner Richtung auf Reichthtnn des Tons ernster und mit grösserer
Wahrheitsliebe folgten, hat er doch die Rolle eines wichtigen Anregers
gespielt.
Mit jolm Plzilh]; endete diese locale Abgeschlossenheit der schot-
tischen Kunst. Wie ein Menschenalter vorher der Schotte Wilkie das
Haupt der britischen Genrematlerei gewesen, so machte nun der Schotte
Phillip, nachdem er im Museo del Prado malerisch sehen gelernt, dieser
novellistischen Genremalerei ein Ende. Der Ton seiner Bilder ist
tief, die Farbe leuchtend, der Auftrag breit, männlich, von Velazquez
beeinHusst. Robert Scoit Ltlltiföf, seit I85o Lehrer an der Akademie,
bratchte zur Kenntniss des Velazquez noch die Delacroisf hinzu. Er
hatte fünf Jahre auf dem Continent verweilt, in Italien Tizian und
Giorgione, in München Rubens gesehen, und als er 1838 über Paris