XLVIII.
Whistler
und
die
Schotten.
LS im Sommer 1888 der englische Saal der Münchener
A Internationalen Ausstellung eröffnet wurde, hing auf der
Mitte der Hauptwand ein Porträt in ganzer Figur. Das
Modell war eine grosse, sehr schlanke Frau; sie ging, sich vom
Beschauer entfernend, in's Bild hinein, man sah sie im Proiil. in dem
Moment, wo sie den Kopf drehte und noch einen letzten Blick
herauswztrf, um dann zu verschwinden. Es war Lady Archibald
Campbell, eine der schönsten Frauen Englands. Das Porträt gab sie
lebend, in all ihrem Reiz, mit ihrer zarten Taille, ihrem blonden
Haar, den aristokratischen Händen und tiefen Augen. Oder besser:
es gab eine Essenz ihrer vornehmen, stolzen Schönheit, nur, was übrig
bleibt von einer Gestalt, wenn der Künstler aus seinem Eindruck
Alles eliminirt, was nicht im höchsten Grade exquisit und fein ist.
Auf dem Gesicht des sylphenhaft dathingleitenden Wesens lag der
Ausdruck einer leichten Verachtung als hätte das schöne Weib
Mitleid mit all den hässlichen Ausstellungsbestichern, die sie be-
trachten würden, oder all den armen, schlecht gemalten Menschen,
deren Porträts ringsum hingen. Das Ganze hob sich grau von einem
schwarzen Hintergrund ab, nur sanft belebt durch zart graublatle
und braungraue Töne, ein wenig Blond, ein wenig Rosa. Trotzdem
war das Bild voll von Luft, von einer seltsam weichen, harmonischen
Luft. Man fühlte das Modell leben, gehen, sich bewegen. Es war
ein grosses Kunstwerk, das Werk eines Meisters, ein Werk Wizistlerr.
Das zweite der in München ausgestellten Bilder eine Nocturne
wSchwarz und Golda, in der Alles dunkler Glanz war, von einzelnen
goldenen Sternen unterbrochen verstand ich damals nicht, aber
lernte es verstehen, als bald darauf der Weg mich nach England
führte. Ein Novembertag war's, ich stand auf dem Deck des Schiffes
und beobachtete, wie der Abend über das Meer sank. Das ruhige,
dunkle Wasser, über das der Dampfer in regelmassigen Stössen glitt,