Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

484 
XLVII. 
ENGLAND 
gesunken. Die geflügelte Gestalt des Liebesgottes in rother Draperie 
(der Pilger-Liebesgott aus Vita nuova, die Kammnitischel auf der 
Schulter tragend) führt Dante, der vorsichtig und wie schlafbefztngen 
daherschreitet, vor das Sterbelager der Todten und gibt, über den 
Sarg gebeugt, Beatrice den Kuss, den sie von dem Geliebten nie 
erhalten hatte, während zwei in grüne Gewänder gehüllte Traum- 
göttinnen das mit Weissdornblüthen bestreute Bahrttich einen Augen- 
blick emporhalten, ehe es das Antlitz für immer bCLlECkLa Mit er- 
staunlicher Intensität ist der Ausdruck der Verzückung in Datntes 
Gesicht und die stille, engelhafte Anmuth der Beatrice gegeben. Sie 
liegt im Sarge, bleich wie eine Blüthe, in einen weissen Schleier 
gehüllt, eine Lilie in den gefalteten Händen, nicht wie todt, sondern 
wie entschlummert, die Lippen geöffnet, als athme sie leise. Ihr 
blondes Haar umfliesst sie in goldenen Wellen. Wie ein Spiegel 
gibt die Bettdecke in verschwimmenden Falten die marmornen Formen 
des Körpers wieder. Ein seliges Lächeln umspielt die reinen, klaren 
Züge des lieblichen Antlitzes. 
Und diese vSeelenmalereia hat Rossetti fast atlsschliesslich in der 
dritten und fruchtbarsten Periode seines Lebens beschäftigt, in der er 
fast keine grösseren Bilder, sondern nur einzelne, mit verschiedenen 
poetischen Attributen versehene weibliche Gestalten malte, deren 
tiefern Sinn seine Gedichte vermitteln. Das Bild wThe Spllinxe, in 
dem er sich mit dem grossen Riithsel des Lebens beschäftigt, ist 
das einzige, das noch mehrere Figuren enthält. Drei Personen, ein 
Jüngling, ein reifer Mann und ein Greis, wollen die geheime Höhle 
der Sphinx suchen, um die Allwissende nach ihrem Schicksal zu 
fragen. Nur der Mann stellt wirklich die Frage, der Greis schleppt 
sich mühsam zur Höhle, während der Jüngling, vom Lauf erschöpft, 
schon vor dem Ziel sterbend zu Boden sinkt. Die Sphinx verharrt 
in undtirchdringlichem Schweigen, mit ihren grünen unerforschlichen 
Riithselzitigen kalt und gefühllos in's Unendliche starrend. The Blessed 
Damozel, Proserpina, Fiammetta, The Day Dream, La Bella Mano, 
La Ghirlandata, Veronica Veronese, Diis manibus, Astarte Syriaca sind 
sämmtlich Einzelgestalten  zuweilen auf Goldgrund  die dem 
Andenken der Elisabeth Siddal geweiht sind. Wie Dante seine Bett- 
trice, so feiert Rossetti in Gedichten und Bildern das jung verstorbene 
Weib. Er malt sie als wBlCSSCCi DZIITIOZClx mit sanftem Heiligenantlitz, 
stillem Mund, fliessendem Goldhaar und tiefinnerlichen, friedenvollen 
Lidern. Oder stellt sie dar als einen Engel Gottes, wie sie am Thore
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.