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XLVII.
ENGLAND
Gesichte kommt tosend in dies überschiiuinencle Hirn, und der Bilder-
fluss braust mit allem Schlamm und aller Pracht rollend dahin.
Da zu Blakes jugendzeit eine eigentliche Schule in England
noch nicht bestand, wählte er sich selbst sein Lehrmittel und fand
bei dem Kupferstecher Basire früh Gelegenheit, die Werke kennen
zu lernen, die seinem Geist am meisten behagten. Eine feine Kenner-
schaft Dürers vereinigte sich mit der Bewunderung Michelangelos.
Vom Studium dieses grossen Italieners nahm er seinen Ausgang,
ohne jedoch in directe Nachahmung zu verfallen. Er lebte mit seinen
Vorfahren wie andere Künstler mit ihren Zeitgenossen. Die Gegenwart,
in der sein Körper lebte, war für ihn nicht vorhanden; er stellte sich
ausserhalb seines Jahrhunderts und suchte die Gesellschaft solcher,
die ihm wathlverwandt schienen. Visionen von Himmel und Hölle
waren ihm realer als die Welt, die ihn umgab; die Stimmen aus der
Geisterwelt vernahm er deutlicher als das wüste Gemurmel des Lebens
zu seinen Füssen.
Das erste Werk, das der Malerdichter veröffentlichte, war eine
illustrirte Ausgabe seiner eigenen Gedichte nSongs oflnnocenceq 1787,
schon technisch eines der seltsamsten Illustrationswverke, die die
Kunstgeschichte kennt, ein WVerk, an dem Alles, ausser dem Papier,
vom Künstler selbst herrührt: von ihm sind die Verse, von ihm die
Zeichnungen; er selbst stach die Verse in Kupfer und colorirte eigen-
händig die Bilder. Die darauffolgenden, in gleicher Art illustrirten
Bücher sämmtlich im Kupferstichcabinet des britischen Museums
zu finden lassen verfolgen, wie Blakes Genius sich allmählich
entfaltete. Besonders die sProphetic Booksa enthalten zwischen den
Versen schon Zeichnungen von exquisiter Schönheit, reicher Phantasie
und raffinirtelli Geschmack. In den 1794 angefertigten Blättern zu
Ed. Youngs Nachtgedanken, die er selbst wseine Freskena zu nennen
pflegte, hat er die volle Höhe erstiegen. Die Eintheiluxig ist innner
die gleiche. In der Mitte jeder Seite steht der Text des Gedichtes,
rings sind die Zeichnungen, zu denen die Worte des Dichters ihn
anregten. Die vage Sprache Youngs, die Erhabenes behandelt, ohne
selbst erhaben zu sein, ist für Blake die beste Nahrung. Seine
Phantasie ist immer von sinnlicher Anschauung gesättigt und ver-
wandelt die nebelhaft verschwommenen Verse des Schriftstellers in
klar geschaute Visionen. Alle Ideen, selbst die abstractesten, kommen
zu ihm in festen körperlichen Umrissen. Selbst das Uebernzttürlichste
nimmt physische, lebendige Form an. Da wo in dem Buche von