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XLVII.
ENGLAND
ralismus, zlltßftllillllliChtl Strenge und bezaubernde Innigkeit. Blasirt,
bewunderten sie an jenen naiven Seelen zugleich die Fähigkeit zur
Ekstase, zur Vision, das heisst zum höchsten Genüsse. Wenn man
heute, im 19. Jahrhundert, noch Gefühle haben könnte, wie sie Dante,
dem düstern Florentiner, Botticelli, dem grossen jeremiah der Renais-
sance, oder dem zarten Mystiker Fra Angelico gewährt waren! Ueber-
sättigt von Modernität, mit unheimlich verfeinerten Nerven, suchte
man sich künstlich in diesen glücklich wollüstigen Zustand zurück-
zutriiumen und kam so schliesslich zu dem Punkte, Wo die M0-
dernitiit wieder in jugendliches Stztmmeln, der glaubenslose Materia
lisinus der Gegenwart in mystisch romantisches Versenken in alte
Gefühlswogen umschlug.
Die ersten Symptome dieses neuen Geisteszustandes hatten sich
in Poesie und Kunst schon lange angeltündigt. In der Londoner
Nationalgalerie hängen unter Nr. 1110 und 1164 zwei merkwürdige
kleine Bilder, eins, das wie eine Scene aus der Apokalypse aussieht.
und eins, das in sonderbar überirtlischer, traumhaft tnlnscentleiitaler
XVeise die wHeimkchr von GOlgHIlIlW schildert. Ihr Autor ist ein
Mann, der vom Künstlerlexikon nur als registrirt, von
Andern als einer der grössten Phantasten und tiefsinnigsten V isionäre
des Jahrhunderts gefeiert wird: der Swetienhorgh der Malerei
ßVilliauz Blalce.
Die jugendzeit dieses merkwtirdigen Mannes liel noch in die
Jahre, als Sirjosuah in unumschriiiilater Autorität die englische Malerei
beherrschte, und schon diesem gegenüber verhehlte Blake nicht, dass
er höhere Anschauungen vom Wesen der Kunst hatte. Das britische
Museum bewahrt ein Exemplar der berühmten Reden von Reynolds,
dessen Ränder von Bleistiftnotizen Blakes bedeckt sind: wDieser
Mann War geboren, die Kunst herabztixxtürdigen, das ist die Ansicht
NVilliam Blalaesx. Die Malerei, wie sie Reynolds verstand, entsprach
den Bedürfnissen des Ilages; Blake arbeitete ein langes Leben hin-
durch ohne anderen Dank als die Schätzung einiger vornehmer, ein-
samer Geister. Das Bedeutende an ihm entging der Werthschützting
und kann wohl überhaupt erst heute, im Zeitalter des Individualitäten-
cultus, gerecht beurtheilt werden. YVas Blake als Grundlage der Kunst
ansah, war in erster Linie Phantasie und poetische Kraft. Jede Er-
findung war ihm eine Vision, sein Hirn streifte nur hohe, erhabene
Themen, beschäftigte sich allein mit tiefen, abstracten Problemen,
ging nie an die Darstellung eines trivialen iirnilichen Stoffes und