Volltext: Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert (Bd. 3)

XLVI. 
DAS 
W ESEN 
NEUIDEALISMUS 
DES 
439 
allein 
wie 
ausscrordcntlichcs 
seltsames 
Thier 
Ucbcrbleibscl 
der Lmtergcgangcnen hellenischen Racc, in 
Alle andern verzehren sich in romantisclver 
die Gegenwart herüber. 
Sehnsucht, nur dass an 
die Stelle der byronischen Aufbiiumting von einst ein sentimentaler 
XVeltschmerz, an die Stelle der grossen Erschütterungen ein leises 
Vibriren getreten Die Romantiker sammelten gigantische Legenden, 
häuften Träume auf, tiurchforschten den Orient, Griechenland, Arabien, 
überltuieri die menschliche Einbildungskraft mit Farben aus allen Him 
melsstrichen, führten verzerrte und schreckliche Gesichter mitten unter 
Finsterniss und Blitzen vor. Die heutigen sind stille Träumer, die 
wehmütliig nach den verlorenen Idealen CHISCIIXVLIDLICHCI" Zeiten klagen, 
müde Seelen, die nur in Golden languors, im Erzitternlassen geheim 
nissvoll tiiscreter, zart melancholischer Gefühle schwelgen. Jene suchten 
die Masse mit sich fortzureissen, lodernde Flannnen, Sturm und Leiden- 
schaft in die Grauheit des Alltagslelven zu tragen, und ergingen sich 
deshalb in grossen himmelstürinenden Bewegungen, complicirteii Linien 
und glühenden Farben. Diese sind Aristokraten, die die Berührung 
der Menge fürchten und deshalb ängstlich alles, was eine banale 
Emotion hervorbringen könnte, meiden. Wie die Dichter die Rhetorik, 
die Romanciers die Intrigue, die Musiker die 'Mel0die, so verachten 
die Maler den interessanten Inhalt, die Bewegung, thellweise sogar 
die Farbe. Durch Alles geht jene matte Resignation und vPTOfOHdC 
tristesse epicuriennea, die mangels befriedigender Ideale unsere Gene- 
ration erfasst hat. Selbst wo es sich um humanistische Ideen han- 
delt, ist die Strenge der antiken Seele temperirt durch die Melan- 
cholie des modernen Geistes. Die Maler erzählen die oft erzählten 
Legenden des alten Griechenland so, wie sie nie ein Grieche erzählt 
hätte; sie erzählen sie mit Beziehungen zu Problemen, Stimmungen 
und Leidenschaften, an die der griechische Geist nicht dachte. Sie 
füllen den Olymp mit dem Licht, dem Nebel, der Farbe, der Melan- 
cholie einer späteren, nervöseren und in ihren Stimmungen nüancen- 
reicheren Zeit, einer Zeit, die schwermüthiger und von Problemen 
mehr betinruhigt ist, als das alte Griechenland es war. 
Nur die Formensprache hält sich vielfach noch in alten Grenzen. 
In dem Bemühen, sinnliche Ausdrucksmittel für die neuen, oft recht 
verschnörkelten Gedanken zu finden, hat man wieder bei den alten 
Meistern sich Raths erholt und hülfestrchenti namentlich dem Quattro- 
cento zugewandt, das in seinem frischen Naturalismus und seiner 
tiefen, mit rein psychischen Mitteln erzielten Intensität des Ausdrucks
	        
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